Die Saat - Ray, F: Saat
hat bisher noch keiner gesagt, dabei spürt sie es doch eigentlich schon ihr ganzes Leben in sich.
»Ich glaube, in den fünfziger Jahren gab es so ein Projekt.«
Christians Stimme dringt an sie heran, sie reißt sich zusammen. »Ach ja?«
»Ja, es wurde von einer reichen amerikanischen Familie finanziert, Moment, waren es die Rockefellers? Nein, warte, es hieß Milward-Foundation. Es ging um Geburtenkontrolle, wenn ich mich recht erinnere.« Er gähnt schon wieder. Er muss schlecht geschlafen haben. Stimmt, seine Kinder sind erkältet, erinnert sie sich. Sie hat überhaupt nicht geschlafen, doch sie fühlt, dass elektrischer Strom in ihrem Körper zirkuliert, während sie versucht, nach außen so normal wie möglich zu wirken. »Véronique Regnard hat es erwähnt«, sagt sie.
»Der durchgeknallte Ökofreak?«
»In diesem Gemäuer wird jeder verrückt.«
Er mustert sie. Grinst er sogar?
»Sag mal, was war das eigentlich für ein Abgang?«
In Sekundenschnelle schießt ihr die Hitze ins Gesicht, und ihr »Was meinst du?« nimmt Christian ihr sowieso nicht ab. Stattdessen betrachtet er sie weiter, neugierig und belustigt zugleich.
»Ich wollte einfach heim, hab ich doch gesagt.« Sie versucht, sich auf die Einträge zu konzentrieren, doch schon längst sind die Bilder der Nacht wieder ganz deutlich.
»Du bist in eine schwarze Limo gestiegen, ma chère.«
Christians Grinsen ist geradezu unverschämt. » Ach, wer sagt so etwas?«
»Du weißt doch, ich habe meine Spione überall.« Sein Grinsen hört nicht auf. »Lass mich raten, wer drin saß.«
»Hör auf damit, Christian.«
»Aber warum denn, es fängt doch gerade an, Spaß zu machen.«
»Dir vielleicht. Lass uns jetzt weiterarbeiten.«
»Oh, là, là, das sagst du? Du schwebst doch«, er wirbelt mit seiner Hand durch die Luft, »auf einer rosa Wolke.«
»Was redest du für einen Blödsinn, Christian? Das sind deine Fantasien.«
»So, und wer war der Verehrer? Kenne ich ihn?«
»Nein, Christian.« Sie setzt ein übertriebenes Lächeln auf.
»War es wenigstens genauso gut wie mit mir?«
»Halt jetzt die Klappe, Christian!«
Er hebt beschwichtigend die Hände. »Ist schon okay, okay! Frieden! Aber …«
»Was?«, sagt sie unwirsch.
Sein Lächeln wird listig. »Steckt vielleicht eine neue Story dahinter? Etwas Delikates?«
»Wofür hältst du mich?«
Er lacht. »Du würdest doch alles für einen Erfolg tun, oder?«
»Meinst du das wirklich ernst?«
Mit übertriebener Überraschung hebt er die Brauen. »Ist esdenn nicht so? Ich meine, versteh mich nicht falsch, nur deshalb bist du doch so weit gekommen …«
Jedes seiner Worte sticht noch eine Wunde in ihren Körper. Nie, niemals wollte sie ein solcher Mensch sein, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist und, sein Ziel vor Augen, über Leichen geht. Aber irgendwann nach der Entlassung wurde der Druck so stark, finanziell unabhängig zu bleiben und sich und ihren früheren Arbeitgebern – und leider auch ihrem Vater und ihrer Schwester und ihrem Schwager – mein Gott – zu beweisen, dass sie als freie Journalistin und Mitherausgeberin der neuen Zeitschrift Erfolg hatte. Sie hat Grenzen überschritten … Die Affäre mit Herb Ritter, ja, die Einladung des CBS-Produzenten auf seine Yacht in Cannes während der Filmfestspiele, nein, daran mag sie nicht mehr erinnert werden, auch wenn der Artikel in Tout Menti! über einen Fernsehboss nicht schlecht geworden ist.
»Pass auf«, er wirft ihr eine Zeitung auf ihren Schreibtisch, »Seite zwei.«
Sie ist dankbar, dass er endlich das Thema wechselt. Sie hat die Meldung über den Mord an Jean-Marie Lappé heute Morgen in der Zeitung lesen wollen, als sie vor dem Sprechzimmer im Krankenhaus wartete, ist dann aber unterbrochen worden.
»Dieser Lappé war offenbar in der Wohnung von dem Assistenten von Frost. Vielleicht wurden die beiden verwechselt? Der Assistent, dieser Nicolas Gombert, ist jedenfalls unauffindbar.« Christian hat sich eine Zigarette angezündet und bläst einen Rauchring in die Luft. »Hat sich einfach aufgelöst. Ein Konzern wie Edenvalley, der Gifte produziert und sich seit Jahren vor der Verantwortung drückt, der einfach immer behauptet, das alles ist ungefährlich«, er nimmt einen tiefen Zug, »der ist skrupellos. Und wenn ein Professor Frost oder diese Schwuchteln wie dieser Lappé oder Nicolas Gombert irgendwelchen Plänen oder Gewinnen im Wege stehen, werden sie eiskalt eliminiert.« Entschieden drückt er dieZigarette im
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