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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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kurzfristige Lösungen. Das bringt genauso wenig, wie sie alle einzeln einzufangen. Die einzigen Ratten, die man üblicherweise zu Gesicht bekommt, sind die Schwachen und die Dummen. Die Cleveren wissen, wie man überlebt. Kontrolle und Beherrschung, das sind die entscheidenden Mittel. Man muss ihren Lebensraum einschränken, ihr Ökosystem durcheinanderbringen. Ihnen das Nahrungsangebot entziehen, sie aushungern. So erreicht man die Wurzel der Epidemie und kann sie mit Stumpf und Stiel ausrotten.«
    Setrakian sah Eph an und nickte langsam. »Der Meister.
    Er ist die Wurzel allen Übels. Und jetzt, in diesem Augenblick, ist er irgendwo hier in Manhattan.« Der Blick des alten Mannes fiel wieder auf den Unglücklichen, der zusammengerollt auf dem Boden lag. Bei Einbruch der Nacht würde er bereits ein Vampir sein. »Treten Sie bitte zurück.« Setrakian zog das Schwert aus dem Gehstock, und mit einem beidhändig ausgeführten Hieb enthauptete er den Mann. Bedächtig wischte er dann die Klinge ab. »Hätten wir doch nur einen Anhaltspunkt, wo der Meister sein könnte. Sein Versteck wurde mit Sicherheit von langer Hand vorbereitet, ja vielleicht hat er es sich sogar selbst ausgesucht. Eine Zuflucht, seines Ranges würdig. Ein dunkler Ort, der einerseits Schutz bietet, andererseits leichten Zugang zur Menschenwelt an der Oberfläche gewährt.« Er wandte sich Vasiliy zu. »Haben Sie eine Ahnung, woher die Ratten kommen? Wo das Epizentrum dieser Massenpanik liegt?«
    Vasiliy nickte, seine Augen starrten in die Ferne. »Ja, ich glaube, das weiß ich.«
     
    Church Street, Ecke Fulton
     
    Im Licht des Sonnenuntergangs standen die beiden Epidemiologen, der Pfandleiher und der Kammerjäger auf der Aussichtsplattform am oberen Rand der Baustelle des World Trade Center.
    Mit Hilfe von Vasiliys Dienstausweis und einer kleinen Notlüge - Setrakian war in Wirklichkeit natürlich kein weltberühmter Fachmann für Nagetiere - gelangten sie in den U-Bahn-Schacht. Vasiliy führte sie zu den stillgelegten Gleisen, denen er zuvor gefolgt war. Der alte Mann stieg vorsichtig über die Schwellen und ertastete sich mit seinem Gehstock einen Weg durch das Kiesbett. Nora und Eph hatten Luma-Lampen dabei.
    »Sie sind nicht aus Russland«, stellte Setrakian nach einer Weile fest.
    »Nein, nur mein Name und meine Eltern«, erwiderte Vasiliy.
    »In Russland werden die Vampire
vurdalak
genannt. Ein weit verbreiteter Mythos besagt, dass man gegen sie immun wird, wenn man das Blut eines
vurdalak
mit Mehl vermengt, aus dem Brei Brot backt und verzehrt.«
    »Und, hilft das?«
    »So gut wie jede andere Volksmedizin. Also überhaupt nicht.« Setrakian achtete darauf, sich so weit wie möglich von der stromführenden Schiene entfernt zu halten. »Diese Stange da sieht recht praktisch aus.«
    Vasiliy betrachtete die lange Stange aus Armierungsstahl in seiner Hand. »Ja, ziemlich grobes Teil. So wie ich. Und es leistet gute Arbeit. Auch so wie ich.«
    Setrakian senkte die Stimme, um das Echo im Tunnel auf ein Minimum zu reduzieren. »Ich habe da noch einige weitere Instrumente, die Sie mindestens ebenso wirkungsvoll finden werden.«
    Vasiliy erblickte den Schlauch der Drainagepumpe, mit der die Maulwürfe gearbeitet hatten. Der Tunnel machte eine Biegung und verbreiterte sich. Vasiliy erkannte die Abzweigung sofort wieder. »Hier«, sagte er.
    Sie blieben stehen und lauschten dem Tröpfeln des Wassers. Vasiliy suchte den Boden ab. »Ich hab beim letzten Mal Rattenpulver ausgestreut. Sehen Sie, hier.« In dem Pulver waren die Abdrücke von Schuhen und nackten Füßen zu sehen. »Mann, wer geht denn barfuß durch einen U-Bahn-Tunnel?«
    Setrakian hob eine Hand. Durch den Tunnel drang ein fernes Stöhnen.
    »Mein Gott!«, stieß Nora hervor.
    »Schalten Sie Ihre Lampen ein«, flüsterte Setrakian.
    Eph und Nora folgten der Anweisung. Die kräftigen UVC-Strahlen leuchteten den Tunnel aus und enthüllten einen irrwitzigen Farbenwirbel. Unzählige Flecken waren auf dem Boden, den Wänden und den Eisenpfosten zu erkennen.
    Vasiliy verzog das Gesicht. »Sind das ... «
    »Exkremente, Mr. Fet. Diese Kreaturen entleeren sich, noch während sie fressen.«
    Vasiliy sah sich verblüfft um. »Vampire haben wohl keinen besonderen Sinn für Hygiene.«
    Setrakian wich zurück. Er hielt den Gehstock jetzt verkehrt herum, hatte die schimmernde Klinge einige Zentimeter aus der Scheide gezogen. »Wir müssen hier weg. Sofort.« Vasiliy lauschte den Geräuschen im Tunnel. »Da

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