Die Saat
Meister nahm die Kapuze ab. Sein Kopf war kahl und farblos, Augen und Lippen transparent wie fein gewebtes Leinen. Die Nase war nur noch ein winziger Höcker mit zwei schwarzen Löchern. Seine Kehle pulsierte in einer gierigen Imitation des Atemholens. Die Haut war fast durchsichtig und darunter ein Muster aus blutlosen Adern erkennbar die verschwommene Karte eines uralten, lange vergessenen Landes. Die Venen waren mit Blutwürmern gefüllt.
Deine Zeit ist gekommen.
Die Stimme breitete sich in Ephs Kopf aus wie eine Woge des Schreckens. Er spürte, wie seine Kraft schwand. Alles um ihn herum wurde blass, dunkel.
Deine Frau gehört mir. Und bald auch dein Kind.
Nun schwoll Ephs Kopf an vor Ekel und Zorn. Er erhob sich schwankend.
Ich werde dir alles nehmen, was du hast.
Mit einer blitzschnellen Bewegung griff der Meister zu.
Eph hatte das Gefühl, als würde sein betäubter Schädel in einen Schraubstock geklemmt. Dann verloren seine Füße den Bodenkontakt. Er ruderte mit den Armen und trat um sich. Der Meister hielt seinen Kopf wie einen Basketball, hob ihn zu sich hoch. Eph konnte die Blutwürmer sehen, die sich in seinen Augen schlängelten.
Ich bin die Dunkelheit.
Der Mund des Meisters war schwarz, der Rachen eine kahle Höhle, die direkt in die Hölle führte. Ephs Körper baumelte schlaff herab. Er glaubte, den Verstand zu verlieren. Dann drückte der Meister Ephs Kopf nach hinten, als wollte er eine Bierdose aufreißen.
I eh werde dich trinken.
Der Unterkiefer des Meisters zog sich zurück, die Zunge bog sich nach oben, und mit einem schnalzenden Geräusch trat sein riesiger Stachel hervor.
Eph brüllte, riss die Arme hoch, versuchte verzweifelt, den Stachel von seinem Hals fernzuhalten. Er schrie dem Meister in das fürchterliche Gesicht.
Und dann ... drehte der Meister seinen gewaltigen Kopf eine winzige Idee zur Seite.
Seine Nasenflügel bebten, ein dämonisches Schnauben ertönte, und seine Augen funkelten Eph wütend an - wie konnte er es wagen, den Meister zu täuschen?
Du bist nicht allein.
Setrakian folgte Vasiliy die Treppe hinauf. Plötzlich umklammerte er das Geländer und sackte mit der Schulter gegen die Wand. Der Schmerz explodierte in seinem Schädel wie ein Aneurysma, und eine bösartige, blasphemische Stimme dröhnte in seinem Kopf wie eine Bombe, die in einem überfüllten Konzertsaal hochging.
Setrakian.
Vasiliy blieb stehen und drehte sich um, doch Setrakian winkte mit schmerzverzerrtem Gesicht ab. Er konnte nur noch flüstern. » Er ist hier.«
Nora eilte zu dem alten Mann, half ihm auf und zog ihn weiter in die Wohnung. Dort stürmte Vasiliy voran, rammte den ersten Vampir, der ihm begegnete, mit dem Kopf, wurde umklammert, stürzte, rollte sich ab, sprang blitzschnell wieder auf und ging vor seinem Gegner in Kampfstellung. Der Vampir hatte den Mund wie zu einem Grinsen geöffnet.
In diesem Moment erblickte Vasiliy das riesige Wesen auf der anderen Seite des Raums, das Eph in seinen Klauen hielt. Es war gewaltig. Atemberaubend.
Der Vampir griff an und trieb Vasiliy Richtung Küche. Nora kam hereingestürmt und schaffte es gerade noch, die UV-Lampe anzuschalten, als Bolivar sich auf sie stürzte. Angesichts des Lichts wich er mit einem atemlosen Schrei zurück. Dann sah auch Nora die gebeugte Gestalt des Meisters, sah Eph, der schlaff in den Fängen des Ungeheuers baumelte. »Eph!«
Mit gezogenem Schwert kam nun auch Setrakian hinzu.
Einen Moment erstarrte er, als er den Meister sah, den Giganten, den Dämon. Nach so vielen Jahren stand er ihm also erneut gegenüber ...
Setrakian schwang das Silberschwert, während Nora Bolivar zum Eingang der Wohnung zurückdrängte. Sie hatten den Meister in die Enge getrieben. Eph in einem so kleinen Raum anzugreifen war ein schwerer Fehler gewesen.
Setrakians Herz klopfte heftig, als er die Schwertspitze auf den Meister richtete - und zustach.
Das Summen in der Wohnung dehnte sich mit einem Mal aus, weitete sich zu einem Höllenlärm in ihren Köpfen. Eine Stoßwelle, die den alten Mann für einen Augenblick lähmte.
Er meinte, ein hämisches Grinsen auf der Fratze des Meisters zu erkennen. Der riesige Vampir schleuderte den strampelnden Eph quer durch den Raum, so dass er gegen die Wand prallte und hart auf dem Boden landete. Mit seiner langen Krallenhand packte der Meister dann Bolivar und stürzte auf das Panoramafenster zu, das auf die Worth Street hinausführte.
Ein splitternder Knall erschütterte das Gebäude, als der
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