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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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bin ich ganz Ihrer Meinung.«
    Eph stieß mit dem Fuß gegen etwas, das er zunächst für eine Ratte hielt, und machte einen Satz zurück. Er richtete die Lampe auf den Boden und entdeckte dort einen Haufen Plastik.
    Es waren Mobiltelefone, hundert oder mehr, achtlos weggeworfen.
    »Hä? Da hat einer 'ne Ladung Handys entsorgt«, stellte Vasiliy fest.
    Eph griff in den Haufen. Die ersten bei den Geräte waren tot. Beim dritten blinkte gerade noch der letzte Balken der Ladestandsanzeige. Ein kleines X am oberen Displayrand zeigte an, dass es keinen Empfang hatte.
    »Deshalb kann die Polizei die Handys der Vermissten nicht orten«, sagte Nora. »Die sind alle hier unten.«
    »Und die Vampire vermutlich auch.« Eph warf die Handys wieder auf den Haufen zurück.
    »Schnell«, drängte Setrakian, »bevor wir entdeckt werden.« Er führte den Rückzug aus dem Tunnel an. »Wir müssen uns vorbereiten.«
     

Der Bau
     
    Worth Street, Chinatown
     
    Am Abend des vierten Tages fuhren sie an Ephs Wohnung vorbei; sie waren gerade auf dem Weg zu Setrakian, um sich angemessen auszurüsten. Da Eph nirgendwo Polizisten entdecken konnte, hielt er an. Natürlich ging er damit ein Risiko ein, aber er hatte seit Tagen dieselben Klamotten an. Außerdem würde der Zwischenstopp nicht länger als fünf Minuten dauern. Er deutete auf das Fenster seiner Wohnung im zweiten Stock, und sie vereinbarten, dass er die Jalousie herunterlassen würde, sobald er unbemerkt das Apartment betreten hatte.
    Problemlos erreichte er den Hausflur und ging die Treppe hinauf. Seine Wohnungstür stand einen Spaltbreit offen. Er hielt inne und lauschte. Eine offene Tür - das war nicht gerade die Handschrift der Polizei.
    Er drückte die Tür langsam auf. »Kelly?« Keine Antwort. »Zack?« Die beiden waren die Einzigen außer ihm, die einen Schlüssel hatten.
    Der faulige Geruch in der Wohnung beunruhigte ihn zunächst, doch dann fiel ihm ein, dass das chinesische Essen von dem Tag, als Zack bei ihm gewesen war, noch im Müll lag - es schien Jahre her zu sein. Er betrat die Küche, um nachzusehen, ob die Milch im Kühlschrank noch genießbar war ... und blieb wie angewurzelt stehen.
    Es dauerte einen Moment, bis er begriff, was er da vor sich sah.
    Zwei uniformierte Polizisten lagen auf dem Boden seiner Küche.
    Irgendwo in der Wohnung setzte plötzlich ein tiefes Summen ein, das zu einer Art Schrei wurde, einem Chor aus Schmerz.
    Die Wohnungstür knallte zu. Eph schnellte herum.
    Vor der Tür standen zwei Männer. Zwei Vampire - was Eph sofort an ihrer Haltung und ihrer Blässe bemerkte.
    Einer davon war Bolivar, einer der Überlebenden aus dem Flugzeug - er sah sehr tot, sehr gefährlich und sehr hungrig aus. Den anderen erkannte er nicht.
    Doch dann spürte er noch eine wesentlich größere Gefahr im Raum. Denn diese beiden waren nicht der Ursprung des Summens. Eph schien eine Ewigkeit zu brauchen, um den Kopf in Richtung Wohnzimmer zu drehen, und doch dauerte es nur eine Sekunde.
    Er sah ein riesenhaftes Wesen, das einen langen, dunklen Mantel mit Kapuze trug. Es reichte bis zur Decke der Wohnung, stand gebeugt da, blickte auf Eph herab.
    Sein Gesicht ...
    Eph schwindelte. Die übernatürliche Größe des Wesens ließ den Raum winzig erscheinen.
Er
fühlte sich winzig. Mit weichen Knien drehte er sich um, wollte zur Tür rennen.
    Doch schon war das Wesen vor ihm, flankiert von den beiden anderen Vampiren. Sie versperrten den einzigen Fluchtweg.
    Das Wesen kam näher, ragte drohend über ihm auf ... Und Eph fiel auf die Knie. Allein die Gegenwart dieser riesigen Kreatur wirkte so lähmend, als wäre er zu Boden geschlagen worden.
    Hmmmmmmmmm.
    Er spürte das Summen, so wie man bei einem Rockkonzert den Bass im Brustkorb spürt. Er schlug die Augen nieder, sah zu Boden. War gelähmt vor Angst. Alles, nur nicht dieses Gesicht ...
    Sieh mich an.
    Zuerst glaubte Eph, die Kreatur könne ihm allein mit der Kraft ihres Geistes die Luft abschnüren. Doch seine Atemnot war die Folge schieren Entsetzens. Seine Seele, so schien es ihm, stand in hellem Aufruhr.
    Er hob ganz leicht den Blick und sah den Saum an der Robe des Meisters, dann die Hände am Ende der Ärmel. Sie waren nahezu farblos, ohne Fingernägel und grotesk groß. Der Mittelfinger war noch größer und noch dicker als die anderen und wie eine Kralle geformt.
    Der Meister. Er war zu ihm gekommen. Er würde ihn verwandeln.
    Sieh mich an, Mensch.
    Eph hob den Kopf, als hätte man ihn am Kinn gepackt. Der

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