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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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Seitenwand lehnte. Die Notsitzgurte hingen herab.
    »Warum ist er nicht angeschnallt?«, murmelte Eph. »Eph, bist du im Cockpit?« Noras Stimme. »Ich komme zu dir.«
    Der Mann trug eine silberne Krawattennadel mit dem Regis-Air-Logo, auf dem Namensschild über seiner Brusttasche stand REDFERN. Eph kniete sich hin und drückte seine dick eingepackten Finger gegen Redferns Schläfen, um das Gesicht anzuheben. Die Augen waren - wie bei allen anderen - offen und nach unten gerichtet. Eph kontrollierte die Pupillen. War da nicht etwas? Ein Schimmern? Er sah noch einmal nach - als Kapitän Redfern plötzlich erzitterte und ein Stöhnen ausstieß.
    Eph zuckte zurück und fiel mit einem Poltern zwischen die beiden Pilotensitze, auf die Kontrollkonsole. Der Erste Offizier kippte gegen ihn, und für einen kurzen Moment schien es Eph, als würde ihn das Gewicht des toten, schlaffen Mannes erdrücken.
    »Eph?« Jims Stimme.
    »Eph, was ist los?« Noras Stimme.
    Mit einem kräftigen Ruck schob Eph den Ersten Offizier wieder in seinen Sitz und rappelte sich auf.
    »Ist alles in Ordnung?« Wieder Nora.
    Eph sah Kapitän Redfern an, der jetzt auf dem Boden lag, der Blick immer noch starr. Aber sein Rachen arbeitete, zuckte, und sein Mund schien die Luft würgend einzusaugen.
    »Wir haben hier einen Überlebenden«, sagte Eph in das Mikrofon.
    »Was?«, rief Nora.
    » Wir haben hier einen Mann, der lebt. Jim, wir brauchen einen Transportisolator. Bringt das Ding direkt an die Tragfläche. Nora ... « Eph redete schnell, beobachtete dabei, wie der Pilot sich am Boden wand. » Wir müssen das ganze Flugzeug durchgehen. Passagier für Passagier.«
     
    ERSTES ZWISCHENSPIEL
     
    Abraham Setrakian
     
    Der alte Mann stand im beengten Verkaufsraum seiner Pfandleihe an der East I 18th Street in Spanish Hadern. Es war schon eine Stunde nach Ladenschluss, und sein Magen knurrte, doch es widerstrebte ihm, nach oben zu gehen. Die Gitter vor den Türen und Fenstern waren vorgezogen wie stählerne Augenlider. Draußen reklamierten die Menschen der Nacht die Straßen für sich. Nachts geht man nicht hinaus.
    Der Mann trat hinter die Ladentheke zu der Schalterreihe mit den Dimmern und verdunkelte das Geschäft Lampe um Lampe. Er war in elegischer Stimmung. Er betrachtete die Vitrinen aus Chrom und changierendem Glas, die auf Filz präsentierten Armbanduhren, das polierte Silber, das er einfach nicht loswurde, die vereinzelten Diamanten, das Gold. Der andere Kram: komplette Tee-Services, Lederjacken, Pelze, diese neuen Musik-Abspielgeräte, die schnell zu verkaufen waren, und die Radios und Fernseher, die er längst nicht mehr annahm. Und hier und da gab es sogar richtige Schätze: zwei wunderschöne alte Safes - mit Asbest ausgekleidet, aber man musste sie ja nicht essen -, ein koffergroßer Videorekorder aus Holz und Stahl, ein klassischer r6mm-Filmprojektor.
    Aber alles in allem jede Menge Plunder mit geringer Umschlagfrequenz. Eine Pfandleihe ist eine Mischung aus Basar,
    Museum und Reliquienschrein. Der Pfandleiher bietet eine Dienstleistung an, die niemand sonst anbietet: Er ist der Bankier des armen Mannes, jemand, bei dem sich die Leute fünfundzwanzig Dollar borgen können, ohne über Kreditwürdigkeit, Beschäftigungsverhältnis und Referenzen nachdenken zu müssen. Und in Zeiten einer Wirtschaftskrise sind fünfundzwanzig Dollar für viele Menschen echtes Geld. Fünfundzwanzig Dollar können den entscheidenden Unterschied zwischen Obdach und Obdachlosigkeit ausmachen; fünfundzwanzig Dollar können lebensverlängernde Arzneien bedeuten. Solange er Sicherheiten bietet - etwas von Wert, das verpfändet werden kann -, kann jeder mit Bargeld in der Hand aus dieser Tür gehen. Wunderbar.
    Der Mann trottete nach oben, schaltete unterwegs weitere Lampen aus. Er schätzte sich glücklich, dass das Gebäude ihm gehörte, erworben in den frühen 70er Jahren des letzten Jahrhunderts für sieben Dollar und ein paar Zerquetschte. Gut, vielleicht war es nicht ganz so wenig gewesen, aber auch nicht wahnsinnig viel; damals fackelte man in New York Häuser ab, um es warm zu haben.
Knickerbocker Loans and Curios
- den Namen hatte er mit dem Geschäft übernommen - war für Abraham Setrakian noch nie ein Mittel gewesen, um reich zu werden, sondern eine Brücke in den Schwarzmarkt der Stadt, ein Schnittpunkt zweier Welten für einen Mann, der sich für Werkzeuge, Artefakte, Kuriositäten und andere Arkana der Alten Welt interessierte.
    Fünfunddreißig

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