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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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Bündchen schlossen weiche Klettverschlüsse ab, schwarze Springerstiefel reichten bis zum Schienbein.
    Die zweite Schicht war ein weißer Wegwerfanzug aus dem papierähnlichen Material Tyvek. Sie zogen sich Überschuhe über die Stiefel und Silver-Shield-Chemie-Schutzhandschuhe über die atmungs aktiven Nylon-Feinstrickhandschuhe und befestigten diese an Hand- und Fußgelenken mit Klebeband. Dann schnallten sie sich ein leichtes, umluftunabhängiges Atemschutzgerät auf den Rücken, bestehend aus Pressluftatmer mit einer Druckluftflasche aus Titan, Vollschutzmaske und persönlichem Alarmsystem, wie es bei der Feuerwehr eingesetzt wurde. Beide zögerten, bevor sie die Masken über das Gesicht zogen. Nora lächelte, legte eine Hand an Ephs Wange und küsste ihn. »Alles in Ordnung?«
    »Jep.«
    »Du siehst aber nicht so aus. Was war mit Zack?« »Eingeschnappt. Sauer. Sein gutes Recht.«
    »Ist nicht deine Schuld.«
    »Und wenn schon? Unterm Strich ist das Wochenende mit meinem Sohn futsch, und ich werde es nie zurückbekommen.« Eph machte seine Maske fertig. » Weißt du, ich war in meinem Leben an einen Punkt angelangt, an dem ich mich gefragt habe, was wichtiger ist, Job oder Familie. Ich dachte, ich hätte die Familie gewählt. Aber scheinbar nicht entschieden genug.«
    Es gibt Momente, die kommen, wann sie wollen, ungebeten und meist zum ungünstigsten aller Zeitpunkte, wie zum Beispiel in einer Krise, wenn man jemanden ansieht und feststellt, dass es wehtun würde, ihn zu verlieren. Eph erkannte, wie unfair er Nora gegenüber gewesen war, weil er an Kelly festhielt - nein, noch nicht einmal an Kelly, sondern an der Vergangenheit, an seiner toten Ehe, an dem, was einmal gewesen war. Und all das Zack zuliebe. Nora mochte Zack. Und Zack mochte Nora, das war ganz offensichtlich.
    Jetzt aber war nicht die Zeit dafür, sich solchen Gefühlen hinzugeben. Eph zog die Atemschutzmaske über und prüfte die Pressluftflasche.
    Die äußerste Schicht bestand aus einem gelben - kanarienvogelgelben - Voll schutzanzug mit versiegeltem Helm, 210-Grad-Visier und angesetzten Handschuhen. Dies war der eigentliche Level-A-Sicherheitsanzug, der »KontaktAnzug« mit zwölf Lagen Stoff, der, einmal versiegelt, den Träger hundertprozentig von der Außenatmosphäre abschottete.
    Nora kontrollierte seine Dichtung, er die ihre - in der BioRisiko-Branche arbeitete man nach dem Kameradschaftsprinzip, ungefähr so wie Tiefsee-Taucher. Die Anzüge bauschten sich ein wenig in der zirkulierenden Luft. Krankheitserreger auszuschließen bedeutete gleichzeitig, Schweiß und Körperwärme festzuhalten - die Temperatur in ihren Anzügen konnte also durchaus bis zu fünfzehn Grad über der Raumtemperatur liegen.
    »Sieht dicht aus«, sagte Eph über das stimmgesteuerte Mikrofon in seiner Maske.
    Nora nickte und sah ihn an. Der Blick war eine Spur zu lang, als wollte sie noch etwas Wichtiges sagen. Doch dann fragte sie lediglich: » Bist du fertig?«
    Eph nickte. » Dann woll'n wir maL«
    Draußen auf dem Rollfeld aktivierte Jim sein fahrbares Einsatzsteuerpult, mit dem er die Bilder der beiden Kameras, die an den Masken montiert waren, auf zwei Bildschirmen auffing.
    Die TSA-Beamten rauschten an und versuchten, weiter mit Eph zu reden, aber er simulierte Taubheit, schüttelte nur den Kopf und deutete auf seine Schutzhaube.
    Während sie sich dem Flugzeug näherten, zeigte Jim Eph und Nora einen eingeschweißten Sitzplan, dessen Nummerierung mit den Passagier- und Crewdaten auf der Rückseite korrespondierte. Er deutete auf einen roten Punkt. Sitz I8A. »Der Sky-Marshal«, sagte er in sein Mikrofon. »Nachname: Charpentier. Die Reihe am Notausgang, Fensterplatz.«
    »Alles klar«, erwiderte Eph.
    Ein zweiter roter Punkt. »Die TSA hat einen weiteren Passagier von Interesse ausgewiesen. Ein deutscher Diplomat, Rolf Hubermann. Erste Klasse, zweite Reihe, Platz F. In der Stadt, um im UN-Sicherheitsrat Gespräche über die Situation in Korea zu führen. Hat diese Diplomatenpost bei sich, die vom Zoll nicht kontrolliert wird. Möglich, dass es nichts weiter zu bedeuten hat, aber es ist bereits ein ziemliches Aufgebot an Deutschen auf dem Weg hierher, nur um diese Unterlagen abzuholen.«
    »Okay.«
    Am Rand des Scheinwerferkreises wünschte Jim den beiden noch alles Gute, dann ging er zu seinen Monitoren zurück.
    Im Licht war es heller als hell. Sie warfen praktisch keine Schatten. Eph ging voran, die Feuerwehrleiter hoch, dann auf der breiter werdenden

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