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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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erst nahm Matthew von William Notiz. Er war sichtlich überrascht. »Der junge William Hamleigh, nicht wahr?«
    Es war William peinlich, dass man ihn erkannt hatte, obwohl er wusste, dass es sich gar nicht vermeiden ließ. »Behalt deinen Zucker für die Kinder«, sagte er, obgleich ihm Matthew gar nichts angeboten hatte. »Ich mag das Zeug nicht.«
    »Sehr wohl, der Herr.« Matthews Blick verriet, dass es nicht seine Art war, sich mit den Söhnen des Landadels anzulegen; er verdankte seine Stellung anderen Qualitäten. »Euer Vater hat wunderbar weiche Seidenstoffe von seiner Reise mitgebracht«, sagte er, an Aliena gewandt. »Ich werde sie Euch später zeigen.«
    »Danke«, sagte Aliena.
    Matthew ging.
    »Weibischer Tölpel«, bemerkte William.
    »Wieso bist du so unhöflich zu ihm?«, fragte Aliena.
    »Ich dulde es nicht, dass Domestiken mich ›der junge William Hamleigh‹ nennen.« Schon im nächsten Atemzug bereute er den Satz. So wirbt man nicht um eine junge Dame, schalt er sich. Der Anfang ist misslungen. Du musst charmant sein, zuvorkommend! Er lächelte und fügte hinzu: »Wenn du meine Frau wärst, würden meine Diener ›Lady‹ zu dir sagen.«
    »Bist du gekommen, um noch einmal über die Heirat zu sprechen?«, fragte sie ungläubig.
    Er hatte das Gespräch mit einer harmlosen Plauderei einleiten wollen. Mit ihrer Direktheit und Offenheit brachte sie ihn ganz durcheinander; er spürte selbst, dass er die Kontrolle über das Gespräch verlor.
    »Du kennst mich doch gar nicht!«, rief er erregt aus. »Du hast mich von Anfang an falsch eingeschätzt! Ich weiß nicht, was dich im Einzelnen damals so gegen mich aufgebracht hat, doch was immer es war: Dein Urteil war voreilig.«
    Aliena wandte sich ab; sie dachte über eine passende Antwort nach. Hinter ihr kamen der Ritter und der Bewaffnete die Treppe herunter und verließen den Saal. Ihre Mienen wirkten ernst und entschlossen. Einen Augenblick später erschien ein weiterer Mann auf der Treppe; er trug die Soutane eines Priesters und war vermutlich der Privatsekretär des Grafen. Auf seinen Wink hin standen zwei Ritter auf und stiegen die Treppe hinauf: Ralph von Lyme im leuchtend rot gesäumten Mantel und ein älterer Mann mit kahlem Kopf. Für William war jetzt klar, dass die im Saal wartenden Männer einzeln oder zu zweit zum Grafen gerufen wurden. Die Frage war nur, warum.
    »Nach so langer Zeit«, sagte Aliena. Sie unterdrückte eine Gemütsbewegung. Es mochte Wut sein, doch konnte William sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie ihn am liebsten ausgelacht hätte. »Nach all dem Theater, den Hasstiraden, dem Skandal … Ausgerechnet jetzt, da sich die ganze Aufregung endlich ein wenig legt, da kommst du und sagst mir, ich hätte einen Fehler gemacht …«
    So, wie sie es ausdrückt, klingt es nicht sehr überzeugend, dachte William. »Überhaupt nichts hat sich gelegt«, antwortete er erregt. »Die Leute reden nach wie vor darüber, meine Mutter schäumt noch immer vor Wut, und mein Vater wagt sich bis heute nicht erhobenen Hauptes in die Öffentlichkeit. Nichts hat sich geändert für uns, gar nichts.«
    »Dann geht es dir wohl nur um die Familienehre, wie?«
    William ignorierte den drohenden Unterton in ihrer Stimme. Ihm war auf einmal eingefallen, was der Graf mit all diesen Rittern und Bediensteten vorhatte: Er sandte Boten aus. »Familienehre?«, wiederholte er geistesabwesend. »Ja.«
    »Ich weiß, dass auch ich mehr auf Dinge wie Familienehre, nützliche Verbindungen und so weiter achten sollte«, sagte Aliena. »Aber man heiratet doch nicht nur deshalb.« Sie zögerte einen Moment, dann gab sie sich einen Ruck. »Vielleicht sollte ich dir von meiner Mutter erzählen. Sie hasste meinen Vater. Mein Vater ist kein schlechter Mann, wirklich nicht. Er ist sogar ein sehr bedeutender Mann, und ich liebe ihn sehr. Nur ist er eben auch furchtbar ernst und streng. Er hat Mutter einfach nie verstanden. Sie war eine frohe, glückliche Frau, die gerne lachte, wunderbare Geschichten erzählen konnte und die Musik liebte. Vater hat ihr das alles ausgetrieben.« Aliena hatte Tränen in den Augen, doch William nahm sie kaum wahr. Er dachte nur an die Botschaften, die Graf Bartholomäus zu versenden hatte. »Und daran ist sie schließlich auch gestorben«, fuhr Aliena fort. »Weil er sie einfach nicht so sein ließ, wie sie war. Ich weiß das ganz genau – und er auch, siehst du? Und deshalb hat er mir versprochen, dass er mich nie einem Mann zur Frau

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