Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
geben wird, den ich nicht mag. Verstehst du mich jetzt?«
Diese Botschaften sind Befehle, dachte William, Stellungsbefehle an seine Freunde und Mitstreiter. Er bereitet sie auf die bevorstehende Rebellion vor. Und die Boten sind lebendige Beweise .
Erst jetzt merkte er, dass Aliena ihn anstarrte. »… den du nicht magst«, stammelte er. »Magst du mich etwa nicht?«
Ihre Augen funkelten. »Du hast mir überhaupt nicht zugehört«, sagte sie wütend. »Du bist dermaßen von dir selbst eingenommen, dass du für die Gefühle anderer Menschen nicht das geringste Verständnis aufbringst. Wie war’s denn das letzte Mal, als du hier warst? Pausenlos hast du geredet und geredet – und immer nur über dich. Du hast mir nicht eine einzige Frage gestellt!«
Ihre Stimme war immer lauter geworden. Als sie verstummte, merkte William, dass auch die Männer auf der anderen Seite des Saals ihre Gespräche eingestellt hatten und zuhörten. »Nicht so laut!«, raunte er ihr zu.
Sie hörte nicht auf ihn. »Du willst also wissen, warum ich dich nicht mag. Gut, ich sag’s dir. Ich mag dich nicht, weil du nicht die geringste Spur von Kultur und Bildung besitzt. Ich mag dich nicht, weil du kaum lesen kannst. Ich mag dich nicht, weil du nichts anderes im Kopf hast als deine Hunde , deine Pferde und dich selbst !«
Gilbert Catface und Jack fitz Guillaume lachten inzwischen vernehmlich. William spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Diese Kerle waren nichts , sie waren Ritter , und sie lachten ihn aus – ihn, Lord Percy Hamleighs Sohn! Er erhob sich. »Gut«, sagte er in dem verzweifelten Versuch, Aliena zum Schweigen zu bringen. »Lass es jetzt gut sein!«
Aber Aliena schenkte ihm nichts. »Ich mag dich nicht, weil du selbstsüchtig, langweilig und entsetzlich dumm bist«, brüllte sie, und alle Ritter im Saal lachten aus vollem Halse. »Ich kann dich nicht ausstehen. Ich hasse dich. Ich verachte dich. Ich verabscheue dich! Und deshalb werde ich dich nicht heiraten – nie und nimmer!«
Die Ritter jubelten und applaudierten ihr. William krümmte sich innerlich. Ihr Gelächter ließ ihn sich klein, schwach und hilflos vorkommen, wie damals, als er ein kleiner Junge war und vor allem und jedem Angst hatte. Er wandte sich von Aliena ab. Krampfhaft darum bemüht, sich seine wahren Gefühle nicht anmerken zu lassen, durchquerte er den Saal. Das Gelächter um ihn herum nahm noch an Lautstärke zu. Endlich erreichte er die Tür. Er riss sie auf, stolperte hinaus und schmetterte sie hinter sich zu. Wut und Scham schnürten ihm fast den Atem ab, als er die Außentreppe hinunterstürmte. Das allmählich verklingende Hohngelächter verfolgte ihn noch über den ganzen schmutzigen Burghof bis hin zum Tor.
Ungefähr eine Meile hinter Earlscastle kreuzte der Weg nach Shiring eine Hauptstraße. Der Reisende, der sich hier nach Norden wandte, gelangte über Gloucester an die walisische Grenze. Südwärts führte die Straße nach Winchester und an die Küste, und diese Richtung schlugen William und Walter ein.
Williams Kummer hatte sich in stille Raserei verwandelt und ihm die Sprache verschlagen. Er sehnte sich danach, Aliena wehzutun, und wollte all diese Ritter töten. Am liebsten hätte er sein Schwert in jede einzelne dieser lachenden Fratzen gebohrt, und wenn dies schon nicht möglich war, so wollte er sich zumindest an einem von ihnen rächen. William hatte einen Plan, der, falls er aufging, in doppelter Hinsicht nützlich war, denn er würde ihm nicht nur Genugtuung, sondern auch die gesuchten Beweise für die Verschwörung verschaffen. Die Aussicht darauf war Balsam für seine Wunden und erfüllte ihn mit wölfischer Vorfreude.
Zunächst jedoch mussten sie einen von ihnen erwischen. Die Straße führte sie alsbald an den Rand eines großen Waldes. William saß ab und ging zu Fuß weiter; sein Pferd führte er am Zügel. Walter, der die üble Laune seines Herrn respektierte, folgte ihm schweigend. Nach einer Weile verengte sich die Straße zu einem schmalen Weg. William blieb stehen, drehte sich um und sagte zu seinem Gefährten: »Wer kann besser mit einem Messer umgehen, du oder ich?«
»Im Nahkampf bin ich besser«, sagte Walter vorsichtig. »Ihr, Herr, versteht Euch dafür besser aufs Werfen.« Wenn William wütend war, redeten ihn alle mit ›Herr‹ an.
»Ich nehme an, du weißt, wie man ein durchgehendes Pferd zu Fall bringt, wie?«, fragte William.
»Ja. Man braucht dazu einen kräftigen, derben Pfahl.«
»Gut.
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