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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Auftrag zu bekommen, bestand darin, Philips Wünsche zu erfüllen. Tom änderte seinen Tonfall. »Stellt mir ein paar von den jüngeren Mönchen zur Verfügung, und ich richte die Kirche so her, dass Ihr in zwei Wochen wieder ein halbwegs geregeltes Leben führen könnt.«
    Philip sah ihn mit großen Augen an. »Zwei Wochen?«, fragte er ungläubig.
    »Gewährt mir und meiner Familie Unterkunft und Verpflegung. Meinen Lohn könnt Ihr mir zahlen, wenn Ihr das Geld dazu habt.«
    »Ihr meint, Ihr könnt mir innerhalb von zwei Wochen meine Priorei wiedergeben?«, fragte Philip noch einmal.
    Tom war sich seiner Sache keineswegs so sicher – aber selbst wenn es drei Wochen dauerte, würde niemand ihm einen Strick daraus drehen. »Innerhalb von zwei Wochen, jawohl«, bestätigte er mit fester Stimme. »Danach können wir damit anfangen, die restlichen Mauern einzureißen – das ist, wohlgemerkt, eine Sache für Fachleute, wenn kein Unglück geschehen soll. Wir können die wiederverwendbaren Steine aussortieren und die unbrauchbaren fortschaffen lassen. Und während all dies geschieht, beginnen wir mit dem Plan für die neue Kathedrale.«
    Tom hielt den Atem an. Er hatte sein Bestes getan. Nun wird er mir Arbeit geben müssen, dachte er.
    Der Prior nickte und lächelte erstmals wieder. »Ich glaube, Gott hat Euch mir gesandt«, sagte er. »Kommt, wir frühstücken erst einmal. Danach können wir mit der Arbeit beginnen.«
    Tom atmete hörbar aus; es war ein abgrundtiefer Seufzer der Erleichterung. »Ich danke Euch«, sagte er. Auch seine Stimme zitterte ein wenig, er konnte nichts dagegen tun. Doch plötzlich war ihm alles egal. Er schluchzte auf und schämte sich dessen nicht. »Ich vermag Euch gar nicht zu sagen, was Eure Worte für mich bedeuten«, fügte er hinzu.
    Nach dem Frühstück hielt Philip in Cuthberts Lagerraum unter der Küche eine improvisierte Kapitelversammlung ab. Die Mönche waren nervös und aufgeregt. Sie hatten sich für ein sicheres, gleichförmiges, überschaubares und mithin ein wenig langweiliges Leben entschieden oder zumindest damit abgefunden. Die meisten von ihnen hatten keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Ihre Bestürzung berührte Philip tief. Mehr denn je kam er sich vor wie ein Schäfer, dem die Sorge um eine törichte, hilflose Herde anvertraut worden ist … obgleich er natürlich wusste, dass er es nicht mit tumben Schafen, sondern mit seinen geliebten Brüdern zu tun hatte. Nach reiflicher Überlegung war er zu dem Schluss gekommen, der beste Trost liege in klaren Worten: Er musste ihnen sagen, wie es weitergehen sollte, und ihre Aufgeschrecktheit durch harte Arbeit in sinnvolle Bahnen lenken. Darüber hinaus musste so bald wie möglich wieder der gewohnte Alltag einziehen.
    Philip änderte das Ritual der Kapitelversammlung trotz der ungewöhnlichen äußeren Umstände nicht. Er befahl die Verlesung des Martyrologiums des Tages, an das sich die Gebete für die verstorbenen Mitbrüder anschlossen: Aus dem Gebet zogen die Klöster ihre Existenzberechtigung. Als Philip merkte, dass einige Mönche ihre innere Unruhe noch immer nicht überwunden hatten, wählte er aus Kapitel 20 der Regel des heiligen Benedikt den Abschnitt mit der Überschrift Von der Ehrfurcht beim Gebet. Danach folgte der Nekrolog. Das vertraute Ritual beruhigte die Brüder. Philip beobachtete, wie mit der Zeit der verschreckte Ausdruck aus ihren Gesichtern wich – sie erkannten, dass ihre Welt nicht unterzugehen drohte.
    Zum Schluss erhob sich Philip und sprach zu ihnen. »Die Katastrophe, die uns in der vergangenen Nacht heimgesucht hat, war glücklicherweise nur dinglicher Natur«, begann er und versuchte, so viel Wärme und Zuversicht in seine Stimme zu legen wie möglich. »Unser Leben aber ist ein geistiges, unsere Arbeit ist Gebet, Ritus und Meditation.« Er sah von einem zum anderen, versuchte, keinen auszulassen, und wartete, bis er sich der geschärften Aufmerksamkeit aller sicher sein konnte. Dann sagte er: »Es wird nur wenige Tage dauern, dann werden wir diese unsere gewohnte Arbeit wieder aufnehmen. Das verspreche ich euch.«
    Er machte eine Pause, um seine Worte nachwirken zu lassen. Die allgemeine Erleichterung war fast mit Händen zu greifen. »Der Herr in seiner Weisheit«, fuhr Philip schließlich fort, »hat uns gestern einen Baumeister geschickt, der mir versichert hat, dass der Kreuzgang in einer Woche wieder benutzbar ist – vorausgesetzt, wir vertrauen uns seiner sachkundigen Leitung

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