Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Kingsbridge zerstörte, war für Tom ein Fanal der Hoffnung.
Er spähte über den weiten Vorplatz in die riesigen Flammen, die aus der Kirchenruine schlugen, und hatte dabei nur einen Gedanken: Das bedeutet Arbeit!
Der Gedanke hatte sich sofort, nachdem er mit verschlafenen Augen vor die Tür des Gästehauses getreten war und den ersten schwachen Rotschimmer hinter den Kirchenfenstern erblickt hatte, in seinem Bewusstsein eingenistet. Tom war die ganze Zeit über von einer schamlosen, glücklichen Zuversicht besessen gewesen, während er an der Evakuierung der Mönche beteiligt gewesen war, in der brennenden Kirche Vater Philip gesucht oder geholfen hatte, den Sarg des Heiligen in Sicherheit zu bringen.
Als er endlich die Zeit zum Nachdenken fand, schämte er sich plötzlich seiner klammheimlichen Freude über den Brand.
Andererseits – es war ja niemand verletzt worden, und der Klosterschatz war in Sicherheit; außerdem war die Kirche ohnehin uralt und baufällig. Warum also sollte er sich nicht freuen?
Die jungen Mönche mit dem schweren Bücherschrank auf den Schultern kamen über den Vorplatz. Ich muss nur noch dafür Sorge tragen, dachte Tom, dass auch wirklich ich den Auftrag zum Wiederaufbau der Kathedrale bekomme. Und der beste Zeitpunkt, Prior Philip darauf anzusprechen, ist jetzt …
Philip befand sich allerdings nicht unter den Schrankträgern, die gerade das Gästehaus erreichten und ihre schwere Last abluden. »Wo ist Euer Prior?«, fragte Tom.
Der Älteste unter den Mönchen drehte sich überrascht um.
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich dachte, er wäre hinter uns.«
Vielleicht ist er zurückgeblieben, um das Feuer besser beobachten zu können, dachte Tom. Hoffentlich ist ihm nichts passiert …
Ohne weitere Umstände rannte Tom los. Nicht nur, weil Philip ein guter Mensch zu sein schien, war ihm an seinem Wohlergehen gelegen. Der Prior hielt ja auch seine schützende Hand über Jonathan. Es war unmöglich vorauszusagen, was ohne ihn mit dem Kind geschehen würde.
Er fand Philip in dem schmalen Gang zwischen Refektorium und Dormitorium. Zu seiner Erleichterung saß der Prior aufrecht da; er wirkte benommen, war aber äußerlich unverletzt. Tom half ihm auf die Beine.
»Mir ist was auf den Kopf gefallen«, sagte Philip stockend.
Tom blickte an ihm vorbei auf die brennende Ruine. Das südliche Querhaus war eingestürzt und auf den Kreuzgang gefallen.
»Ihr könnt von Glück reden, dass Ihr noch am Leben seid«, sagte er. »Der Herr muss noch einiges mit Euch vorhaben.«
Philip schüttelte den Kopf, um wieder zu sich zu kommen.
»Ich war kurze Zeit bewusstlos«, sagte er, »aber jetzt geht es mir wieder besser. Wo sind die Bücher?«
»Beim Gästehaus.«
»Dann lasst uns dorthin zurückkehren.«
Auf dem Rückweg hielt Tom Philips Arm. Der Prior war nicht ernsthaft verletzt, aber ziemlich durcheinander.
Als sie wieder beim Gästehaus ankamen, hatte das Feuer in der Kathedrale seinen Höhepunkt bereits überschritten. Tom wunderte sich, dass er die Gesichter der anderen so gut erkennen konnte, obwohl die Flammen längst nicht mehr so hell aufloderten wie zuvor. Erst dann fiel ihm auf, dass es allmählich tagte, und er erschrak.
Philip nahm sogleich wieder die Zügel in die Hand. Küchenmeister Milius trug er auf, für alle Brei zu kochen, und Cuthbert Whitehead erhielt die Erlaubnis, ein Fass mit starkem Wein zu öffnen, damit sie sich unterdessen ein wenig wärmen konnten. Philip befahl, im Gästehaus ein Feuer anzuzünden, und die älteren Mönche, die die Kälte kaum noch ertrugen, gingen hinein. Zu allem fing es jetzt auch noch an zu gießen. Windgepeitschte, eiskalte Regenböen fegten übers Klostergelände, und die Flammen an der Kirchenruine wurden kleiner und erstarben rasch.
Bald waren alle Mönche beschäftigt. Prior Philip verließ das Gästehaus und ging gemessenen Schritts zur Kirche. Tom folgte ihm. Das ist meine Chance, dachte er. Wenn ich jetzt keinen Fehler mache, kann ich auf Jahre hinaus hier arbeiten …
Philip war stehen geblieben und starrte auf den Trümmerhaufen, der einst die Westfassade gewesen war. Traurig schüttelte er den Kopf. Er sieht aus, als stünde er vor den Trümmern seines eigenen Lebens, dachte Tom, der schweigend neben dem Prior stand. Nach einer Weile ging Philip weiter, wanderte an der Nordseite der Kirche entlang und über das Gräberfeld. Tom begleitete ihn und schätzte mit fachmännischem Blick den Schaden ab.
Die Nordmauer des
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