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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Agnes’ Seelenheil beitragen kann?«
    Philip runzelte die Stirn. »An Abraham erging die Aufforderung, seinen einzigen Sohn zu opfern. Gott fordert heute keine Blutopfer mehr, denn das höchste Opfer wurde bereits gegeben. Die Lehre aus der Geschichte Abrahams ist die, dass Gott von uns das Beste verlangt, zu dem wir fähig sind, das, was uns mehr als alles andere am Herzen liegt. Ist dieser Entwurf das Beste, was Ihr Gott anbieten könnt?«
    »Von meinen Kindern abgesehen, ja.«
    »Dann geht in Frieden, Tom Builder. Gott wird Euer Angebot annehmen.«
    +++
    Philip hatte keine Ahnung, warum Waleran Bigod ihn ausgerechnet in den Ruinen des Schlosses von Graf Bartholomäus treffen wollte.
    Es war ihm nichts anderes übrig geblieben, als nach Shiring zu reiten, dort zu übernachten und sich am Morgen auf den Weg nach Earlscastle zu machen. Vor ihm ragten die Zinnen der Burg aus dem Morgennebel. Wahrscheinlich leiten ihn rein praktische Erwägungen, dachte Philip: Waleran reiste von einem Ort zum anderen. Kein Ort auf der Route lag näher an Kingsbridge als Earlscastle; zudem war die Burg ein nicht zu verfehlendes Ziel.
    Nur allzu gern hätte Philip genauer gewusst, was Waleran im Schilde führte. Seit dessen Besuch in Kingsbridge hatte er den designierten Bischof nicht mehr gesehen. Waleran wusste nicht, wie viel Geld Philip zum Bau der Kirche benötigte, und Philip wusste nicht, was Waleran vom König zu fordern gedachte. Waleran war, was seine Pläne betraf, ein furchtbarer Geheimniskrämer. Philip war innerlich aufs Höchste angespannt.
    Der Prior war froh, dass Tom Builder ihn genau über Kosten und Dauer des Kathedralenbaus aufgeklärt hatte. Der Mann legte Ansichten von bemerkenswerter Tiefe an den Tag und war immer wieder für Überraschungen gut. Er konnte kaum lesen und schreiben, war aber imstande, eine Kathedrale zu entwerfen, den Bedarf an Arbeitskräften, die voraussichtliche Bauzeit und die Kosten zu errechnen … Der Baumeister war ein ruhiger Mann, aber eine ehrfurchtgebietende Erscheinung: Er war sehr groß, hatte ein bärtiges, wettergegerbtes Gesicht, scharfe Augen und eine hohe Stirn. Manchmal beschlich den Prior in Toms Gegenwart eine gewisse Beklommenheit, die er mit einem besonders herzlichen Ton zu überspielen versuchte. Tom indessen war sehr ernst und ahnte nichts von den Gefühlen, die Philip in seiner Anwesenheit überkamen. In dem Gespräch über seine verstorbene Frau, das Philip sehr berührt hatte, war eine bis dahin unerkannte Frömmigkeit zum Ausdruck gekommen. Tom war einer von jenen Menschen, die ihren Glauben im Innersten ihres Herzens verschlossen, und das waren allemal nicht die Schlechtesten.
    Je näher Earlscastle kam, desto unbehaglicher war Philip zumute. Aus der blühenden, geschäftigen Burg, die einst das umgebende Land beschützt und vielen Menschen Arbeit und Brot gegeben hatte, war eine triste Ruine geworden, und die Hütten und Häuser im Schatten der Mauern waren verlassen wie leere Nester in den kahlen Zweigen. Und er, Philip, war dafür verantwortlich. Er hatte die Verschwörung verraten, die hier ausgebrütet wurde, und damit in Gestalt Percy Hamleighs und seiner Mannen den Zorn Gottes auf die Burg und ihre Bewohner herabbeschworen.
    Ihm fiel auf, dass Mauern und Torhaus bei den Kämpfen kaum beschädigt worden waren. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren die Angreifer eingedrungen, ehe man die Tore hatte schließen können. Philip führte sein Pferd am Zügel über die hölzerne Brücke und betrat den unteren Burghof. Hier waren die Spuren der Schlacht schon deutlicher: Unversehrt stand nur die steinerne Kapelle. Von den Wirtschaftsgebäuden waren nur noch verkohlte Reste übriggeblieben. Am Fuße der Mauer wirbelte der Wind Ascheflocken auf.
    Vom Bischof war nirgendwo etwas zu sehen. Zu Pferd überquerte Philip das Gelände und gelangte zur Brücke, die zum oberen Burghof führte. Von dort aus war es nicht mehr weit zum trutzigen Wohnturm. Eine recht wackelig aussehende Holztreppe führte zum Eingang im ersten Stock. Streng und abweisend wirkte der Bau mit seinen schmalen Fenstern, die nicht viel mehr waren als Schießscharten … und doch hatte er Graf Bartholomäus nicht beschützen können.
    Immerhin – die Fenster versprachen einen weiten Blick über das Land. Philip beschloss, von oben nach dem Bischof Ausschau zu halten. Er band sein Pferd ans Treppengeländer und stieg hinauf.
    Die Tür öffnete sich, kaum dass er sie berührt hatte. Er trat ein. Der

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