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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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die Tauben von den Wallanlagen scheuchen sehen. Und während er sie aus seinem Schlupfwinkel heraus bei all diesen kleinen, intimen Tätigkeiten mit seinen Blicken verfolgte, wuchs in ihm das keineswegs unangenehme Gefühl, dass sie ihm in gewisser Hinsicht ausgeliefert war.
    Solange der Mönch und der Bischof sich auf dem Gelände der Burg aufhielten, würde sie sich natürlich nicht blicken lassen. Glück­licherweise verweilten die beiden nur kurze Zeit auf dem Turm, bestiegen dann ihre Pferde und ritten mit ihren Dienern davon. Waren sie wirklich nur wegen der schönen Aussicht nach Earlscastle gekommen? Wenn ja, dann hatte ihnen aber das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht …
    Vor Ankunft der Besucher war der Haushofmeister im Haus gewesen und hatte Feuerholz geholt. Er war der Koch der kleinen Gruppe im Wohnturm. William wusste, dass Matthew bald wieder erscheinen würde, diesmal, um Wasser zu holen. Wahrscheinlich, dachte er, essen sie vornehmlich Brei, denn einen Backofen gibt es im Wohnturm nicht. Später am Tag pflegte der Haushofmeister die Burg zu verlassen und nahm dabei bisweilen den Jungen mit. Sobald die beiden gegangen waren, war es bis zu Alienas Erscheinen nur noch eine Frage der Zeit.
    Als ihn die Warterei zu langweilen begann, beschwor William die Vision von dem sich waschenden Mädchen herauf. Die Erinnerung war fast so gut wie die Wirklichkeit. Nur – heute war er nicht ganz bei der Sache. Über der Burg und ihren drei Bewohnern hatte noch bis zum frühen Morgen eine merkwürdig verwunschene Stimmung gelegen, deren Zauber nun durch den Besuch dieser von Grund auf unzauberhaften Gestalten mit ihren schmutzüberkrusteten Gäulen ein für alle Mal gebrochen war. William war, als habe ihn ein hässlicher Lärm mitten aus einem wunderschönen Traum geschreckt: Wie sehr er sich auch bemühte – er konnte nicht mehr einschlafen.
    Eine Zeit lang grübelte er darüber nach, was die Besucher vorgehabt haben mochten, fand aber, obwohl er sich sicher war, dass sie irgendetwas ausheckten, keine plausible Antwort. Es gab nur einen Menschen, der sich wahrscheinlich einen Reim darauf machen konnte, und das war seine Mutter. William beschloss, Aliena an diesem Tag allein zu lassen. Er wollte nach Hause reiten und Bericht erstatten.
    Am zweiten Tag trafen sie gegen Abend in Winchester ein. Sie betraten die Stadt von Süden her durch das Königstor und gingen ohne Umwege zur Kathedrale. Dort angekommen, trennten sie sich: Waleran begab sich zur Residenz des Bischofs. Der Palast lag auf eigenem Grund am Rande der großen Freifläche, die die Kathedrale umgab. Philip wollte dem Prior seine Reverenz erweisen und um ein Nachtlager im Dormitorium nachsuchen.
    Nach drei Tagen auf der Straße kam Philip die klösterliche Ruhe und Beschaulichkeit so erfrischend vor wie eine kühle Quelle an einem heißen Sommertag. Der Prior von Winchester war ein umgänglicher, rundlicher Mann mit rosiger Haut und weißem Haar. Zum Abendessen lud er Philip in sein Haus. Während des Mahls unterhielten sie sich über ihre Bischöfe. Der Prior von Winchester hatte große Ehrfurcht vor Bischof Henry und war ihm voll ergeben. Wahrscheinlich bringt es nicht viel, mit einem Bischof zu streiten, der so reich und mächtig wie Henry ist, dachte Philip. Trotzdem wollte er sich von seinem Bischof nicht in dieser Weise beherrschen und drangsalieren lassen.
    Er schlief tief und fest. Kurz vor Mitternacht stand er auf und ging zum Frühgottesdienst.
    Als er – zum ersten Mal in seinem Leben – die Kathedrale von Winchester betrat, überkam ihn eine gewisse Beklemmung.
    Der Prior hatte ihm gesagt, es handele sich um die größte Kirche der Welt, und der Augenschein hatte es bestätigt. Die Kathedrale war eine Achtelmeile lang – Philip kannte Dörfer, die man darin hätte unterbringen können! – und verfügte über zwei große Türme, einen über der Vierung und einen zweiten an der Westseite. Der Vierungsturm war dreißig Jahre zuvor eingestürzt und hatte das Grabmal von König William Rufus verschüttet, der freilich ein gottloser Mann gewesen war und von vornherein nicht in einer Kirche hätte bestattet werden dürfen. Inzwischen war der Turm wiederaufgebaut worden.
    Während des Gottesdienstes stand Philip direkt unter dem neuen Turm. Er sang und empfand dabei die Würde und die gewaltige Kraft, die von dem mächtigen Bauwerk ausging. Die von Tom Builder entworfene Kathedrale würde sich im Vergleich zu Winchester

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