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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ein kleines Stück zu verschieben. Die Aushöhlung war ungefähr einen Fuß tief, und nach einem weiteren Ruck an der Platte konnte Aliena ihre Hand hineinschieben und die Geldkatze herausholen.
    »Na also!«, sagte sie laut. »Da ist sie ja!« Sie empfand es als große Genugtuung, dass sie den unehrlichen Priester überwältigt und das Geld ihres Vaters zurückerobert hatte. Doch als sie sich erhob, merkte sie, dass ihr Sieg nicht unumschränkt war: Die Geldkatze fühlte sich verdächtig leicht an. Aliena schnürte sie auf und schüttelte den Inhalt heraus: Es waren nur zehn Münzen. Zehn Byzantiner entsprachen einem Pfund Silber.
    Was war aus den anderen vierzig geworden? Vater Ralph hatte sie ausgegeben! Alienas Zorn flammte wieder auf. Das Geld ihres Vaters war alles, was sie auf dieser Welt besaß, und der diebische Priester hatte sie um vier Fünftel betrogen!
    Den Gürtel der Geldkatze hin und her schwingend, verließ sie die Kirche. Auf der Straße zuckte ein Passant bei ihrem Anblick erschrocken zurück, als käme ihm ihre Miene nicht ganz geheuer vor. Aliena nahm keine Notiz von ihm und betrat das Haus des Priesters, wo Richard breitbeinig über Vater Ralph stand und ihm die Schwertspitze an die Kehle hielt. Aliena ging sofort wieder auf den Priester los. »Das ist nur ein kläglicher Rest!«, schrie sie ihn an. »Was hast du mit unserem Geld gemacht?«
    »Es ist weg«, flüsterte der Priester.
    Sie kniete sich neben ihn auf den Boden und hielt ihm ihr Messer vors Gesicht. »Was heißt weg?«
    »Ich habe es ausgegeben«, gestand er mit einer Stimme, die heiser vor Furcht war.
    Aliena hatte das Gefühl, diesen Kerl erstechen, erschlagen und dann auch noch in einem Fluss ersäufen zu können – aber was hätte es schon geholfen! Davon bekam sie ihr Geld nicht wieder. Ihr Blick fiel auf das umgestürzte Fass: Ein Trinker hatte einen großen Bedarf an Bier. Sie hätte platzen können vor Wut und Enttäuschung. »Wenn sich dein Ohr für einen Penny verkaufen ließe, ich würde es dir abschneiden!«, fauchte sie, worauf er sie ansah, als rechne er damit, dass sie es auch für nichts und wieder nichts täte.
    »Allie«, wandte Richard furchtsam ein, »das Geld ist weg. Wir sollten den Rest nehmen und schnellstens verschwinden.«
    Widerwillig gestand sich Aliena ein, dass er recht hatte. Ihre Wut verpuffte allmählich und hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Es brachte ihr nichts ein, wenn sie den Priester noch mehr einschüchterte: und je länger sie blieben, um so eher mochte jemand hereinkommen und sie ernsthaft in Schwierigkeiten bringen. Sie stand auf. »Na gut.« Sie verstaute die Goldmünzen in der Geldkatze, die sie sich unter ihren Umhang schnallte. Dann deutete sie mit dem Finger auf den Priester und drohte: »Kann sein, dass ich eines Tages wiederkomme und dich wirklich umbringe.«
    Sie machte auf dem Absatz kehrt, verließ das Haus und marschierte die enge Gasse entlang. Richard setzte ihr nach. »Das hast du wunderbar gemacht, Allie!«, stieß er aufgeregt hervor, als er sie eingeholt hatte. »Der Kerl war halb tot vor Angst – und du hast das Geld gekriegt!«
    Sie nickte. »Ja, das habe ich«, erwiderte sie verbissen. Sie stand immer noch unter Spannung, fühlte sich aber, nachdem ihre Wut verraucht war, wie leergepumpt.
    »Was sollen wir kaufen?«, fragte Richard.
    »Ein bisschen was zu essen für die Reise.«
    »Keine Pferde?«
    »Die kriegen wir nicht für ein Pfund.«
    »Aber wir können dir wenigstens ein paar Stiefel kaufen.«
    Sie dachte darüber nach. Ihre Holzschuhe waren die reinste Tortur und der Boden zu kalt, um barfuß zu gehen. Aber Stiefel waren teuer, und sie wollte das Geld nicht zu rasch ausgeben. »Nein«, entschied sie. »Ich werde es noch ein paar Tage länger ohne Stiefel aushalten. Wir behalten das Geld lieber.«
    Er wirkte enttäuscht, focht ihre Autorität jedoch nicht an.
    »Was sollen wir zu essen kaufen?«
    »Grobes Brot, Hartkäse und Wein.«
    »Wie wär’s mit ein paar Pasteten?«
    »Die sind zu teuer.«
    »Oh!« Er schwieg einen Moment lang und sagte schließlich: »Du bist aber närrisch, Allie!«
    Aliena seufzte. »Ich weiß.« Warum eigentlich, dachte sie. Ich hätte doch allen Grund, stolz auf mich zu sein. Ich habe uns von der Burg hierher geführt, ich habe meinen Bruder verteidigt, ich habe meinen Vater gefunden, ich habe das Geld erobert. Ja, und ich habe einem Fettwanst mein Messer in den Bauch gerammt und meinen Bruder gezwungen, ihn zu töten; und

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