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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wie er selbst vertrat. Philip sah sich auf diese Weise in der Lage, als unparteiischer Schiedsrichter am Ende der Sitzung ein Resümee zu ziehen. So setzte sich Remigius zwar so gut wie nie durch, doch konnte Philip das eine oder andere seiner Argumente aufnehmen und somit den Eindruck eines auf Konsens beruhenden Führungsstils bewahren.
    Die Mönche ärgerten sich über Graf Percys Verhalten. So wie sie vormals gejubelt hatten, als König Stephan der Priorei freies Bauholz in unbegrenzten Mengen und kostenlose Steine zugesichert hatte, so tobten sie jetzt vor Wut, weil Percy sich der königlichen Order widersetzte.
    Als die Unmutsäußerungen verstummt waren, meldete sich Remigius zu Wort: »Ich kann mich daran erinnern, dies schon vor einem Jahr vorgebracht zu haben«, hub er an. »Das Abkommen, demzufolge der Graf den Steinbruch besitzt und wir die Abbaurechte haben, war mir schon immer ein Dorn im Auge. Wir hätten von vornherein versuchen müssen, den Steinbruch in unseren Besitz zu bekommen.«
    Die Bemerkung enthielt ein Körnchen Wahrheit und erwies sich daher für Philip als harter Brocken. Er hatte sich ja mit Lady Regan auf die vollständige Übernahme des Steinbruchs geeinigt – nur um von ihr in letzter Minute darum betrogen zu werden! Er war versucht zu erwidern, dass er unter den obwaltenden Umständen den besten Handel abgeschlossen hatte und dass Remigius seine Verhandlungskünste im gefährlichen Labyrinth des königlichen Hofes erst einmal unter Beweis stellen müsse, biss sich aber auf die Zunge – schließlich war er der Prior und trug die Verantwortung, auch und gerade dann, wenn etwas schiefging.
    Milius kam ihm zu Hilfe. »Es ist ja schön und gut, im Nachhinein zu bedauern, dass uns der König den Steinbruch nicht exklusiv übereignet hat. Wichtiger scheint mir freilich die Frage, wie wir uns nun verhalten sollen.«
    »Das liegt ja wohl auf der Hand«, erwiderte Remigius sogleich. »Da wir die Männer des Grafen nicht selbst vertreiben können, müssen wir den König darum ersuchen. Wir müssen eine Abordnung entsenden, die ihn darum bittet, die Erfüllung des Vertrages zu erzwingen.«
    Zustimmendes Gemurmel erhob sich. Andrew, der Sakristan, meldete sich zu Wort: »Wir sollten die klügsten und redegewandtesten Brüder entsenden.«
    Philip begriff, dass Remigius und Andrew sich bereits als Anführer der Delegation betrachteten.
    Remigius sagte: »Wenn der König erfährt, was vorgefallen ist, wird Percy Hamleigh wahrscheinlich nicht mehr lange Graf von Shiring sein.«
    Philip war sich dessen nicht so sicher.
    »Wo hält sich der König denn gegenwärtig auf?«, fragte Andrew nachdenklich. »Weiß das jemand?«
    Philip war vor kurzem in Winchester gewesen und hatte dort von den Reiseplänen des Königs erfahren. »Er ist in die Normandie aufgebrochen«, sagte er.
    »Dann wird es ja ganz schön lange dauern, bis man ihn einholt«, warf Milius ein.
    »Das Streben nach Gerechtigkeit erfordert stets Geduld«, verkündete Remigius salbungsvoll.
    »Aber jeder Tag, den wir mit dem Streben nach Gerechtigkeit zubringen, geht uns beim Bau der neuen Kathedrale verloren«, antwortete Milius. Sein Tonfall ließ erkennen, dass ihn die Bereitwilligkeit, mit der Remigius den Aufschub in Kauf nahm, verärgerte. Philip konnte es ihm nachfühlen. Milius fuhr fort: »Und damit ist es ja noch nicht einmal getan. Wenn wir den König gefunden haben, müssen wir ihn erst einmal dazu bringen, dass er uns Gehör schenkt. Das kann Wochen dauern. Danach gibt er Percy vielleicht noch die Gelegenheit einer Rechtfertigung – das dauert und dauert …«
    »Wie sollte Percy das wohl zuwege bringen?«, fragte Remigius gereizt.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Milius, »aber ich bin ganz sicher, dass er sich was einfallen lassen wird.«
    »Aber schließlich wird der König nicht umhinkönnen, sein Wort zu halten.«
    Eine neue Stimme ließ sich vernehmen: »Da wäre ich nicht so sicher.« Alle sahen sich nach dem Sprecher um. Es war Bruder Timothy, der älteste Mönch in der Priorei. Er war ein kleiner, bescheidener Mann, der nur selten das Wort ergriff; tat er es jedoch, so war sein Kommentar stets hörenswert. Manchmal dachte Philip, eigentlich hätte Timothy Prior werden sollen. Meistens ließ er die Kapitelversammlung teilnahmslos an sich vorüberziehen und verfiel in eine Art Dämmerzustand. Jetzt aber hatte er sich vorgebeugt, und seine Augen leuchteten vor Überzeugung. »Der König ist eine Kreatur des

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