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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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verbarg ihn in seiner Hand; dann drehte er sich langsam um die eigene Achse, holte blitzschnell aus und warf.
    Daneben. Der Stein polterte gegen die Tür, die Katze machte einen Satz und suchte das Weite. Die Männer johlten.
    Als Zweiter hatte man es nicht mehr so leicht. Die Katze war jetzt gewarnt, zudem war sie noch ausgeruht und leichtfüßig. Ein junger Knappe war an der Reihe. Er beobachtete, wie die Katze auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit durch den Raum rannte, wartete, bis sie langsamer wurde, und zielte. Ein guter Wurf, aber das Tier sah den Stein kommen und rettete sich mit einem Sprung zur Seite. Die Männer stöhnten auf.
    Die Katze raste in panischer Angst im Raum herum und sprang auf die an der Wand gestapelten Böcke und Planken und von dort wieder auf den Boden. Ein älterer Ritter war als Nächster an der Reihe. Er täuschte einen Wurf an, um die Fluchtrichtung herauszubekommen. Als sie wieder loslief, zielte er auf eine Stelle zwischen der unmittelbaren und der vorausgeschätzten Position. Seine Kriegslist brachte ihm zwar den Beifall der anderen ein, aber die Katze sah auch diesmal den Stein kommen und mied ihn, indem sie mitten im Lauf stehen blieb.
    Verzweifelt versuchte das Tier, hinter einer Kirchentruhe in der Ecke Zuflucht zu finden. Der nächste Schütze sah dann eine Chance darin und nutzte sie: Mit einem schnellen Wurf traf er das noch in der Ecke kauernde Tier am Hinterteil. Allgemeines Gejohle war die Antwort. Die Katze gab ihren Versuch, sich hinter die Truhe zu zwängen, auf und lief – langsamer jetzt und humpelnd – wieder im Raum hin und her.
    Nun war William an der Reihe. Indem er sie zunächst anbrüllte und dann einen Wurf vortäuschte, machte er ihr wieder Beine und kam seinem Ziel, sie schneller zu ermüden, erheblich näher. Jeder andere, der die gleiche Verzögerungstaktik angewandt hätte, wäre ausgebuht worden, aber William war schließlich der Sohn des Grafen, und so fasste man sich in Geduld. Die Katze wurde langsamer; sie litt offenbar unter Schmerzen und drückte sich an die Wand neben der Tür. William holte aus und zielte. Ehe jedoch der Stein seine linke Hand verlassen hatte, ging unversehens die Tür auf, und im Rahmen erschien ein schwarzgekleideter Priester. William vollendete den Wurf, doch die Katze schnellte davon wie ein Pfeil und miaute triumphierend. Der Priester stieß einen schrillen Schreckensschrei aus und raffte den Rock seiner Soutane. Die jungen Kerle brachen in schallendes Gelächter aus, als die Katze zwischen den Beinen des Priesters landete und durch die offenstehende Tür davonschoss. Der Priester verharrte in der ängstlichen Pose eines alten Weibes, das sich vor einer Maus fürchtet, und die jungen Männer schütteten sich aus vor Lachen.
    William erkannte den Priester. Es war Bischof Waleran.
    Das stachelte ihn nun erst recht zum Lachen an. Die Tatsache, dass der weibische Priester, der sich von einer Katze so hatte erschrecken lassen, auch noch ein Rivale der Familie war, verlieh der Szene zusätzlichen Reiz.
    Der Bischof hatte sich schnell wieder gefangen. Er errötete, drohte William mit dem Finger und verkündete mit schneidender Stimme: »Dafür werdet Ihr in den tiefsten Tiefen der Hölle ewige Qualen erdulden!«
    Williams Gelächter verwandelte sich blitzartig in panische Angst. Von klein auf hatte ihm seine Mutter mit ihrer drastischen Schilderung der Hölle Albträume bereitet. Furchtbar, was die Teufel alles mit den armen Seelen anstellten! Sie rösteten sie in den Flammen des Höllenfeuers, stachen ihnen die Augen aus und säbelten den Männern mit scharfen Messern das Gemächt ab … Seit jenen Tagen war William die bloße Erwähnung der Hölle aufs Tiefste verhasst. »Halt’s Maul!«, brüllte er den Bischof an, und auf einmal herrschte Grabesstille im ganzen Saal. William zog sein Messer und ging auf Waleran zu. »Mit Euren Predigten habt Ihr hier nichts verloren, alter Giftmischer!« Waleran wirkte keineswegs ängstlich, sondern allenfalls verwundert: Mit Interesse vermerkte er, wo Williams schwacher Punkt lag. William geriet dadurch nur noch mehr in Rage. »Euch werd ich’s zeigen, so wahr Gott mein –«
    Drauf und dran, tatsächlich mit dem Messer auf den Bischof loszugehen, wurde er durch eine Stimme von der Treppe daran gehindert. »William! Schluss damit!«
    Es war sein Vater.
    William hielt inne, und nach kurzem Zögern steckte er sein Messer wieder in die Scheide.
    Waleran betrat den Saal. Ein zweiter

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