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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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besuchen. Dadurch geben wir zu erkennen, dass wir ihn bereits als Erzbischof betrachten – und das wird ihm schmeicheln.«
    Vater Hamleigh sagte: »Hauptsache, Prior Philip erfährt nichts davon.«
    »Das lässt sich kaum machen«, gab Waleran zurück. »Der Bischof kann nicht unangemeldet in Kingsbridge erscheinen – das würde einen äußerst merkwürdigen Eindruck machen.«
    »Aber Philip wird, sobald er von seinem Kommen erfährt, alles daransetzen, den Bau voranzutreiben.«
    »Womit? Er hat kein Geld, vor allem jetzt nicht, nachdem er Eure Steinbrecher angestellt hat. Steinbrecher können keine Mauern bauen.« Waleran schüttelte langsam den Kopf und lächelte zufrieden. »Ihm sind die Hände gebunden. Ihm bleibt nur noch die Hoffnung, dass Pfingsten die Sonne scheint.«
    Philips erste Reaktion auf die Nachricht, der Bischof von Winchester wolle Kingsbridge einen Besuch abstatten, war Freude. Es bedeutete natürlich, dass der Gottesdienst im Freien, und zwar an der Stelle, wo die Kathedrale gestanden hatte, gehalten werden musste, aber dagegen war nichts einzuwenden. Für den Fall, dass es Pfingsten regnete, konnte der Zimmermann der Priorei über und unmittelbar um den Altar herum ein provisorisches Dach bereitstellen, sodass der Bischof nicht nass wurde. Der Besuch erschien Philip wie eine Vertrauensbekundung. Der Bischof will uns damit zu verstehen geben, dass er Kingsbridge nach wie vor als Domplatz und in dem Verlust des Gebäudes nichts weiter als einen vorübergehenden Zustand sieht, dachte er.
    Doch als sich die erste Begeisterung gelegt hatte, kamen Philip ernste Zweifel. Gab es vielleicht noch andere Gründe für die Visite des Bischofs? Gemeinhin suchten Bischöfe Klöster auf, um für sich und ihr Gefolge die ihnen zustehende freie Unterkunft und Verpflegung in Anspruch zu nehmen. Kingsbridge war freilich berühmt oder, genauer gesagt, berüchtigt für seine karge Kost und seine spartanisch einfachen Unterkünfte. Philips Reformen hatten bisher nur bewirkt, das Niveau von fürchterlich auf gerade noch erträglich zu heben. Außerdem war Henry der reichste Kirchenfürst im gesamten Königreich und suchte schon aus diesem Grund Kingsbridge gewiss nicht auf, um sich an Speis und Trank gütlich zu tun. Andererseits war Henry ein Mann, der, so wie Philip ihn einschätzte, für alles, was er tat, einen guten Grund hatte.
    Je mehr Philip darüber nachdachte, um so mehr verstärkte sich sein Verdacht, dass Bischof Waleran seine Hände im Spiel haben musste. Er hatte damit gerechnet, dass Waleran innerhalb von ein, zwei Tagen nach Erhalt des Briefes kommen würde, um mit ihm den Gottesdienst und protokollarische Fragen des hohen Besuchs zu besprechen. Bischof Henry sollte Kingsbridge in guter Erinnerung bleiben, so viel stand fest. Doch je mehr Tage ins Land strichen, ohne dass Waleran sich blicken ließ, um so stärker wurden Philips Bedenken.
    Zehn Tage vor Pfingsten erhielt Philip einen Brief des Priors von Canterbury, der ihn über das ganze Ausmaß des gegen ihn gerichteten Komplotts aufklärte. Nicht in seinen düstersten Ahnungen hätte Philip mit einem solchen Schurkenstreich gerechnet! Die Kathedrale von Canterbury unterstand ebenso wie die von Kingsbridge Benediktinermönchen, und die Brüder standen einander, wann immer möglich, bei. Der Prior von Canterbury, der naturgemäß eng mit dem amtierenden Erzbischof zusammenarbeitete, hatte in Erfahrung gebracht, dass Waleran Henry nur deshalb nach Kingsbridge geladen hatte, weil er ihn für die Verlegung von Diözese und Kathedrale nach Shiring gewinnen wollte.
    Philip war fassungslos. Sein Herzschlag beschleunigte sich, und die Hand, die den Brief hielt, zitterte. Mit diesem teuflischen Schachzug traf Waleran ihn völlig unvorbereitet.
    Am meisten ärgerte er sich darüber, dass er das Unheil nicht hatte kommen sehen, war ihm doch Walerans Hinterhältigkeit sattsam bekannt. Es war gerade ein Jahr her, dass der Bischof versucht hatte, ihn in der Auseinandersetzung um den Steinbruch und die Ländereien zu übervorteilen. Wie hatte Waleran getobt, als Philip ihm auf die Schliche gekommen war! Unvergesslich war ihm sein wutverzerrtes Gesicht … Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, dass Ihr Eure Kirche nie bauen werdet! , hatte Waleran gedroht … Doch die Zeit hatte der Drohung ihre Schärfe genommen, und Philip war unvorsichtig geworden. Der Brief in seiner Hand war die brutale Erinnerung daran, dass Waleran ein gutes Gedächtnis

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