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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Sie würden …
    Ja, wie würden sich die Menschen wohl verhalten?
    Wahrscheinlich werden sie vorbehaltlos mitmachen.
    Philip zog die Stirn kraus. Entweder ich bin verrückt, dachte er, oder es klappt tatsächlich …
    Er versank ins Grübeln. Am Ende der Messe werde ich verkünden, dass die Buße für die Vergebung aller Sünden diesmal in einem halben Arbeitstag auf der Dombaustelle besteht. Und zum Abendessen gibt es Brot und Bier.
    Die Leute würden mitmachen, es gab keinen Zweifel.
    Ich muss mit jemandem darüber reden, dachte er. Milius? Nein, der denkt ohnehin so wie ich. Ich brauche jemanden, der nicht von vornherein meine Ansichten teilt.
    Philips Wahl fiel auf Cuthbert Whitehead, den Kellermeister. Er warf seinen Umhang über, zog die Kapuze zum Schutz gegen den Regen tief ins Gesicht und ging hinaus. Er eilte quer über die Baustelle, winkte Tom flüchtig zu und strebte dem Küchentrakt zu, dem inzwischen ein Hühnerhof, ein Kuhstall und eine Molkerei angeschlossen worden waren: Philip mochte das knapp bemessene Bargeld nicht für Waren des täglichen Gebrauchs ausgeben, die ohne Schwierigkeiten von den Mönchen selbst erzeugt werden konnten.
    Er betrat den Lagerraum des Kellermeisters im Gewölbe unterhalb der Küche und schnupperte den trockenen aromatischen Duft von Kräutern und Gewürzen. Cuthbert zählte gerade Knoblauchzwiebeln, die auf lange Schnüre aufgezogen waren, und murmelte leise Zahlen vor sich hin. Er sah erschreckend alt aus und war nur noch Haut und Knochen.
    »Siebenunddreißig«, sagte Cuthbert laut. »Wie wär’s mit einem Becher Wein?«
    »Nein, danke.« Philip wusste inzwischen aus Erfahrung, dass er tagsüber keinen Wein trinken durfte. Er machte ihn träge und reizbar. Der heilige Benedikt hatte genau gewusst, warum er die Mönche zur Mäßigung mahnte. »Ich bin nicht hier wegen deiner Vorräte, sondern ich brauche deinen Rat. Komm, setz dich!«
    Cuthbert schob sich vorbei an Kisten und Fässern und stolperte über einen Sack, bevor er sich auf einem dreibeinigen Schemel niederließ. Das Lager war längst nicht mehr so gut aufgeräumt wie ehedem.
    »Hast du Schwierigkeiten mit deinen Augen, Cuthbert?«
    »Sie sind nicht mehr so gut wie früher, aber immer noch gut genug«, gab Cuthbert kurz angebunden zurück.
    Um seine Sehkraft war es vermutlich schon seit Jahren schlecht bestellt – vielleicht mit ein Grund dafür, dass er nie richtig lesen gelernt hatte. Cuthbert war in diesem Punkt aber offenbar empfindlich, sodass Philip nicht weiter darauf einging, sondern sich lediglich vornahm, beizeiten einen Nachfolger für den Kellermeister heranzuziehen. »Der Prior von Canterbury hat mir einen sehr beunruhigenden Brief geschrieben«, sagte er und weihte Cuthbert in Walerans Komplott ein. Zum Schluss meinte er: »Ich sehe nur eine Möglichkeit, die Baustelle in einen Bienenstock zu verwandeln, in dem es brummt und summt vor Geschäftigkeit: Wir müssen die Gemeinde zur Mitarbeit anhalten. Spricht etwas dagegen?«
    Cuthbert zögerte nicht eine Sekunde lang. »Gar nichts. Die Idee ist hervorragend!«
    »Aber ein bisschen ungewöhnlich, wie?«, meinte Philip.
    »Es wäre nicht das erste Mal.«
    »Wirklich?« Philip war freudig überrascht. »Wo hat es denn so was schon gegeben?«
    »Ich habe das schon von verschiedenen Stellen gehört.«
    Philip war aufgeregt. »Und – klappt es?«
    »Manchmal. Wahrscheinlich hängt es vom Wetter ab.«
    »Und wie stellt man es am besten an? Genügt es, wenn es der Priester am Ende des Gottesdienstes ankündigt?«
    »Ein bisschen mehr Vorbereitung ist schon erforderlich. Der Bischof oder der Prior entsendet zuvor Boten in die Gemeinden. Sie verkünden, dass die Vergebung der Sünden gegen Arbeit auf der Baustelle gewährt wird.«
    »Eine großartige Idee«, sagte Philip begeistert. »Vielleicht kommen sogar mehr Menschen als sonst!«
    »Oder weniger«, warf Cuthbert ein. »Es gibt Leute, die dem Priester lieber Geld zahlen oder einem Heiligen eine Kerze weihen, als den ganzen Tag im Schlamm herumzuwaten und sich mit schweren Steinen abzurackern.«
    »Daran habe ich überhaupt nicht gedacht«, sagte Philip, den auf einmal der Mut verließ. »Vielleicht ist die Idee doch nicht so gut.«
    »Hast du sonst noch andere Vorschläge?«
    »Nein.«
    »Dann musst du es riskieren und das Beste hoffen, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Philip. »Hoffen wir das Beste.«
    +++
    In der Nacht zu Pfingstsonntag fand Philip keinen Schlaf.
    Die ganze Woche über hatte die

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