Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
hatte ihm den Brief des Priors von Canterbury gezeigt. Es stand für Tom außer Frage, dass Waleran im Falle der Verlegung der Kathedrale einen anderen Baumeister einstellen würde. Nie, so dachte er, wird Waleran einen von Philip gebilligten Bauplan verwenden, nie das Risiko eingehen, einen Mann anzuwerben, der möglicherweise noch zu Philip hielt. Für Tom hieß es Kingsbridge oder das Nichts. Entweder er baute diese Kathedrale oder keine. Eine solche Gelegenheit bot sich nur einmal im Leben, und heute stand sie auf dem Spiel.
Er war, was bisweilen vorkam, zur morgendlichen Kapitelversammlung geladen worden. Meist ging es um Probleme, die mit dem Bau zusammenhingen, wie Fragen zum Plan, zu den Kosten und zur Dauer bestimmter Bauabschnitte. Diesmal war es anders: Er war damit beauftragt worden, die Freiwilligen – so sie denn kamen – sinnvoll einzusetzen. Er wollte, dass es bei Bischof Henrys Ankunft auf der Baustelle summte und brummte wie in einem Bienenkorb …
Geduldig wartete er die lateinischen Lesungen und Gebete ab, von denen er kein Wort verstand. Schließlich ging Philip jedoch zur englischen Sprache über und forderte Tom auf, in groben Zügen darzulegen, wie er sich den Einsatz der Hilfskräfte vorstellte.
»Ich werde an der Ostmauer der Kathedrale arbeiten, während Alfred die Steine für das Fundament legt«, begann Tom. »In beiden Fällen beabsichtigen wir, Bischof Henry vor Augen zu führen, wie weit die Bauarbeiten schon gediehen sind.«
»Wie viele Männer braucht Ihr zur Unterstützung?«, wollte Philip wissen.
»Alfred braucht zwei Hilfskräfte, die ihm die Steine bringen. Er wird Baumaterial aus der Ruine der alten Kirche benutzen. Außerdem braucht er jemanden, der Mörtel für ihn anrührt – wie ich im Übrigen auch. Ich brauche außerdem noch zwei Hilfskräfte. Alfred kann für das Fundament unregelmäßige Steine benutzen, solange sie nur oben und unten flach sind. Meine Steine müssen dagegen sorgfältig behauen werden, weil sie über der Erde liegen und deutlich sichtbar sind. Ich habe daher zwei Steinschneider aus dem Steinbruch kommen lassen.«
Philip ergriff das Wort. »Das ist zwar alles sehr wichtig, um vor Bischof Henry einen guten Eindruck zu machen«, sagte er, »aber die meisten Freiwilligen werden doch wohl die Fundamente ausheben.«
»Richtig. Die Fundamente für den Chor sind markiert, aber zum großen Teil erst ein paar Zoll tief. Die Mönche müssen die Hebevorrichtungen bedienen – ich habe einigen von euch beigebracht, wie man damit umgeht –, und die Freiwilligen können die Fässer füllen.«
»Und was passiert, wenn wir mehr Freiwillige als Arbeit haben?«, fragte Remigius.
»Im Grunde können wir unbegrenzt viele beschäftigen«, erwiderte Tom. »Wenn wir nicht genug Hebemaschinen haben, kann der Aushub in Eimern und Körben weggetragen werden. Der Zimmermann muss sich bereithalten, um notfalls noch ein paar Leitern zu fertigen – das Holz dafür haben wir.«
Remigius ließ nicht locker: »Aber die Zahl der Leute, die in die Baugrube passen, ist doch sicherlich begrenzt.«
Tom hatte das Gefühl, dass Remigius nur um des Widersprechens willen widersprach, und gab gereizt zurück: »Ein paar hundert passen schon hinein. Die Grube ist groß.«
»Und außerdem gibt es noch andere Arbeiten als graben«, fügte Philip hinzu.
»In der Tat«, pflichtete Tom ihm bei. »Große Mengen von Holz und Steinen liegen am Fluss bereit und müssen heraufgeschleppt werden. Ihr müsst darauf achten, dass die Materialien an den richtigen Stellen gestapelt werden. Die Steine gehören neben die Baugruben, aber wohlgemerkt außerhalb der Kirche, sonst sind sie uns im Wege. Der Zimmermann wird Euch sagen, wo das Holz zu stapeln ist.«
»Ob alle Freiwilligen ungelernte Hilfskräfte sein werden – was meint Ihr?«, fragte Philip.
»Nicht unbedingt. Es mag auch der eine oder andere Handwerker dabei sein – ich hoffe es jedenfalls. Wir müssen sie dann entsprechend einsetzen. Zimmerleute könnten Werkstätten für die Winterarbeit bauen. Alle Steinmetze können Steine schneiden und Fundamente legen. Falls ein Schmied dabei ist, lassen wir ihn in der Dorfschmiede Werkzeuge schmieden.«
Schatzmeister Milius meldete sich zu Wort: »Dann ist ja so weit alles klar. Ich möchte jetzt gerne anfangen. Ein paar Dorfbewohner sind bereits eingetroffen und warten darauf, eingewiesen zu werden.«
Tom hatte noch etwas auf dem Herzen. Es war eine wichtige, aber auch heikle
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