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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Vielzahl überraschender, neuer Einsichten in das Leben der einfachen Leute gewonnen.
    Tom Builder wies die Dorfbewohner in ihre Arbeit ein. Richard ging sogleich auf Toms Sohn Alfred zu. Die beiden waren beinahe gleichaltrig – Richard fünfzehn, Alfred ungefähr ein Jahr älter –, und sie spielten jeden Sonntag mit den anderen Jungen aus dem Dorf Fußball. Die kleine Martha war ebenfalls da, doch Ellen, die Frau mit dem merkwürdig aussehenden rothaarigen Jungen war verschwunden, und niemand wusste wohin. Aliena erinnerte sich noch gut daran, wie Tom mit seiner Familie nach Earlscastle gekommen war. Damals waren sie bitter arm gewesen. Prior Philip hatte ihn gerettet – ebenso wie sie selbst.
    Aliena und Richard erhielten je eine Schaufel und die Aufgabe, Löcher für die Fundamente zu graben. Der Boden war feucht, doch schien die Sonne, sodass die Oberfläche rasch austrocknen würde. Aliena machte sich mit Feuereifer an die Arbeit. Selbst mit fünfzig Leuten dauerte es sehr lange, bis die Schächte sichtbar tiefer wurden. Richard musste oft verschnaufen und stützte sich auf die Schaufel. »Wenn du ein Ritter werden willst, dann schaufel gefälligst!«, schimpfte Aliena, ohne damit etwas zu bewirken.
    Die langen Fußmärsche und die Arbeit mit den schweren Wollsäcken hatten ihren Körper gestählt. Sie war schlanker und kräftiger als im vergangenen Jahr. Dennoch bekam sie vom Schaufeln allmählich Rückenschmerzen und war daher froh und dankbar, als Prior Philip das Glockenzeichen für eine Pause gab. Ein paar Mönche brachten aus der Küche warmes Brot und schenkten Dünnbier aus. Die Sonne schien inzwischen stärker, und einige Männer zogen die Hemden aus.
    Die Pause war noch nicht vorüber, als eine Gruppe Fremder durchs Tor kam. Aliena blickte ihnen hoffnungsvoll entgegen. Vielleicht waren diese wenigen ja die Vorboten einer noch viel größeren Menge. Prior Philip hieß sie willkommen.
    »Woher seid ihr?«, fragte er die Männer, die dankbar das ihnen angebotene Bier hinunterstürzten.
    »Aus Horsted«, erwiderte einer von ihnen und wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. Das klang vielversprechend: Horsted war ein Dorf mit zwei- bis dreihundert Einwohnern, ein paar Meilen westlich von Kingsbridge. Wenn sie Glück hatten, kamen vielleicht hundert Freiwillige.
    »Und wie viele von euch kommen insgesamt?«, fragte Philip.
    Der Mann schien über die Frage erstaunt. »Nur wir vier«, erwiderte er.
    Im Verlauf der nächsten Stunde trafen weitere vereinzelte Freiwillige ein, bis ihre Zahl, nachdem der Vormittag halb verstrichen war, auf siebzig bis achtzig angestiegen war. Dann brach der Strom völlig ab.
    Das reichte nicht!
    Philip stand am Ostende und sah Tom bei der Arbeit zu. Die Sockel zweier Strebepfeiler waren bis zur Höhe der dritten Steinreihe bereits fertig. Tom arbeitete an der Mauer, die beide Pfeiler miteinander verbinden sollte. Wahrscheinlich bleibt es bei den Anfängen, dachte Philip mutlos.
    Jedes Mal, wenn die Arbeiter ihm einen Quader brachten, nahm Tom sein eisernes L-förmiges Instrument zur Hand und prüfte, ob die Seitenkanten des Steins gerade waren. Dann warf er mit der Schaufel eine Schicht Mörtel auf die Mauer, riefelte sie mit der Spitze seiner Kelle, setzte den Quader auf und strich den überschüssigen Mörtel ab. Beim Zusammenfügen der Steine richtete er sich nach einer straff zwischen die beiden Sockel gespannten Schnur.
    Philip fiel auf, dass die Ober- und Unterseiten der Steine, die beim Bau in Mörtel gebettet wurden, fast genauso glatt waren wie die sichtbaren Außenflächen. Er fragte Tom nach dem Grund.
    »Nie darf ein Stein den unterhalb oder oberhalb liegenden Stein berühren«, antwortete Tom. »Daher brauchen wir den Mörtel.«
    »Warum dürfen sie sich nicht berühren?«
    »Das führt zu Rissen.« Tom richtete sich auf. »Wenn man auf ein schiefergedecktes Dach tritt, bricht man mit dem Fuß ein. Legt man jedoch eine Planke darüber, so kann man es ohne Schaden betreten. Die Planke verteilt das Gewicht. Der Mörtel erfüllt die gleiche Aufgabe.«
    Darüber hatte Philip noch nie nachgedacht. Die Baukunst war eine hochinteressante Tätigkeit, besonders bei einem Mann wie Tom, der imstande war, sehr anschaulich zu erklären, was er tat.
    Auf der Rückseite waren die Steine am unebensten. Warum wohl, fragte sich Philip. Sie sind doch im Innern der Kirche sichtbar – oder? Erst nach einer Weile fiel ihm ein, dass Tom ja eine Doppelmauer mit einem

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