Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
sogenannten Newport Arch, und wandte sich dann erst gen Westen. Dort sollte die Schlacht ausgetragen werden.
William musterte das Gelände mit wachen Augen. Hier gab es, im Gegensatz zum Süden der Stadt, wo der Hügel steil zum Fluss hin abfiel, eine lang gestreckte Kuppe, die sachte in die Ebene überging. William erkannte sofort, dass Stephan die günstigste Stelle zur Verteidigung der Stadt gewählt hatte: Aus welcher Richtung der Feind auch kommen mochte, er hatte stets den Hang unterhalb des königlichen Heeres zu überwinden.
Stephan hatte die Stadt etwa eine Viertelmeile hinter sich gelassen, als ihm zwei Kundschafter eilig den Hang herauf entgegengeritten kamen. Sie kannten den König und hielten direkt auf ihn zu. William drängte sich näher heran, um ihren Bericht ebenfalls zu hören.
»Der Feind nähert sich in Windeseile, Herr«, sagte einer der Späher.
William ließ seinen Blick über die Ebene schweifen. In der Ferne wälzte sich stetig eine schwarze Masse heran: der Feind. Furcht beschlich ihn. Er versuchte, sie abzuschütteln – vergeblich. Sobald die Schlacht begann, würde sie von allein weichen.
König Stephan fragte: »Wie sieht ihre Schlachtordnung aus?«
»Ranulf und die Ritter aus Chester bilden die Mitte, Herr«, begann der Kundschafter. »Sie sind zu Fuß.«
William fragte sich, woher der Späher das wissen konnte. Er musste sich geradewegs ins feindliche Lager begeben und den Marschbefehlen gelauscht haben. Dazu gehörte schon einiges an Mut!
»Ranulf in der Mitte?«, fragte Stephan verwundert. »Dann wäre ja nicht er, sondern Robert der Anführer!«
»Robert von Gloucester bildet mit einer Horde Männer, die sich ›Die Entrechteten‹ nennen, den linken Flügel«, fuhr der Späher fort. William wusste, warum sie sich diesen Namen gegeben hatten: Ein jeder von ihnen hatte seit Beginn des Krieges sein Land verloren.
»Dann hat Robert das Kommando an Ranulf abgegeben«, sagte Stephan nachdenklich. »Schade. Ich kenne Robert gut – bin praktisch mit ihm zusammen aufgewachsen – und hätte seine Absichten durchschauen können. Aber Ranulf ist mir fremd. Einerlei. Wer ist auf der Rechten?«
»Die Waliser, Herr.«
»Bogenschützen, nehme ich an.« Die Männer aus Südwales waren berühmt für ihre Geschicklichkeit im Umgang mit Pfeil und Bogen.
»Nicht die«, sagte der Kundschafter. »Ein wilder Haufen mit bemalten Gesichtern, die wüste Lieder schmettern und Hämmer und Keulen schwingen. Beritten sind sie so gut wie gar nicht.«
»Sie müssen aus dem Norden von Wales sein«, vermutete Stephan. »Ranulf hat ihnen vermutlich die Plünderung der Stadt versprochen. Gott stehe Lincoln bei, sollte es dazu kommen! Aber es wird ihnen nicht gelingen! Wie heißt Ihr, Kundschafter?«
»Roger, Lackland genannt«, erwiderte der Mann.
»Lackland? Für Eure Mühe sollt Ihr zehn Morgen Land bekommen.«
Der Mann war überglücklich. »Ich danke Euch, Herr!«
»Nun also.« Stephan wandte sich um und fasste seine Grafen ins Auge, um den Schlachtplan bekannt zu geben. William war gespannt, welche Rolle ihm zufallen würde. »Wo ist mein Lord Alan von der Bretagne?«
Alan näherte sich auf seinem Pferd. Er war der Anführer einer Schar bretonischer Söldner – entwurzelte Haudegen, die für Geld kämpften und niemandem zur Treue verpflichtet waren.
Stephan sagte zu Alan: »Ihr sollt mit Euren tapferen Bretonen im vorderen Glied zu meiner Linken sein.«
William empfand die Klugheit dieser Entscheidung nach: Bretonische Söldner gegen walisische Abenteurer, Unzuverlässigkeit gegen Undiszipliniertheit.
»William von Ypres!«, rief Stephan.
»Mein Herr und König.« Ein dunkelhäutiger Mann auf einem schwarzen Schlachtross erhob seine Lanze. Dieser William war Anführer einer weiteren, aus Flamen bestehenden Söldnertruppe, welcher der Ruf vorauseilte, um eine Spur zuverlässiger als die Bretonen zu sein.
Stephan sagte: »Ihr haltet Euch ebenfalls zu meiner Linken, aber hinter Alans Mannen.«
Die beiden Söldnerführer machten kehrt und ritten zum Heer zurück, um ihre Männer einzuteilen. William fragte sich, wo er wohl aufgestellt würde. Ihm stand absolut nicht der Sinn danach, im vorderen Glied zu kämpfen. Er hatte sich bereits genügend hervorgetan, indem er eine solch große Truppe einbrachte. Eine sichere, ereignislose Stellung im hinteren Glied käme ihm heute zupass.
»Meine Grafen von Worcester, Surrey, Northampton, York und Hertford mit ihren Rittern«, befahl der
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