Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Alfred schlug vor, dass jedes der vierzig Gildemitglieder jede Woche sechs Pence entrichten sollte. Das war mehr, als manche erwartet hatten, wie Aliena ihren Mienen entnahm. Der Beitrag wurde zwar von allen beschlossen, aber Aliena rechnete bereits mit ein oder zwei Absagen.
    Sie selbst konnte das Geld leicht aufbringen, und wie sie sich so umschaute, fiel ihr auf, dass sie unter allen Anwesenden wahrscheinlich die Wohlhabendste war. Sie gehörte zu der kleinen Minderheit anwesender Frauen: Außer ihr gab es nur noch eine Braumeisterin, die für ihr gutes, starkes Bier berühmt war, eine Schneidermeisterin, die zwei Schneiderinnen und etliche Lehrlinge unter sich hatte, und die Witwe eines Schuhmachers, die das Geschäft ihres verstorbenen Mannes weiterführte. Aliena war die jüngste unter ihnen und sogar jünger als alle anwesenden Männer mit Ausnahme von Alfred, dem sie ein oder zwei Jahre voraus hatte.
    Aliena vermisste Jack. Bisher hatte sie die Fortsetzung der Geschichte von dem jungen Knappen noch nicht gehört. Heute war ein Feiertag, und nichts wäre ihr lieber gewesen, als sich mit ihm auf der Lichtung im Wald zu treffen. Vielleicht konnte sie später noch hingehen.
    Die Unterhaltung am Tisch drehte sich um den Krieg. Königin Matilda, Stephans Gemahlin, hatte sich wider Erwarten energisch zur Wehr gesetzt, erst kürzlich Winchester erobert und Robert von Gloucester gefangen gesetzt. Robert war der Bruder der Kaiserin Mathilde und Oberkommandierender ihrer militärischen Streitkräfte. Einige Leute hielten Mathilde sogar für eine Galionsfigur und Robert für den eigentlichen Anführer der Rebellen. Wie dem auch immer war, die Gefangennahme Roberts kam für die Kaiserin ebenso ungelegen wie die Gefangensetzung Stephans für die Loyalisten, und die Meinungen darüber, welche Wendung der Krieg nehmen würde, gingen weit auseinander.
    Die anlässlich dieses Festschmauses aufgetischten Getränke waren stärker als die, die Prior Philip ihnen gemeinhin vorsetzte, und je länger das Mahl sich ausdehnte, um so raubeiniger ging es zu. Selbst der Gemeindepriester wurde seiner mäßigenden Rolle nicht mehr gerecht – was wohl daran lag, dass er den Getränken nicht minder zusprach als alle anderen auch. Alfred, der neben Aliena saß, schien zwar in Gedanken versunken, aber auch sein Gesicht war gerötet. Aliena, die sich nichts aus starken Getränken machte, nahm während des Essens lediglich einen Becher Apfelmost zu sich.
    Kurz vor Ende des Mahls brachte einer der Anwesenden einen Trinkspruch auf Alfred und Aliena aus. Alfred strahlte vor Freude. Danach wurden die ersten Lieder angestimmt, und Aliena überlegte, wie bald sie sich wohl davonschleichen konnte.
    »Wir beide haben gute Arbeit geleistet«, sagte Alfred zu ihr.
    Aliena lächelte. »Wir wollen lieber abwarten, wie viele nächstes Jahr um diese Zeit noch sechs Pence die Woche zahlen.«
    Doch Alfred war im Augenblick nicht nach Befürchtungen und Einschränkungen.
    »Wir haben gute Arbeit geleistet«, wiederholte er. »Wir sind ein großartiges Gespann.« Er hob sein Glas und trank ihr zu. »Glaubt Ihr nicht auch, dass wir ein gutes Gespann sind?«
    »Sicher«, sagte sie, um ihm die Laune nicht zu verderben.
    »Mir hat es Spaß gemacht«, fuhr er fort. »Das mit Euch – mit der Gilde, meine ich.«
    »Mir hat es ebenfalls Spaß gemacht«, sagte sie höflich.
    »Wirklich? Das macht mich sehr glücklich.«
    Sie sah ihn abschätzend an. Warum beharrte er auf diesem Punkt? Seine Redeweise war klar und deutlich, und er machte nicht den Eindruck, als wäre er stockbetrunken. »Es war nett«, ergänzte sie abschwächend.
    Er legte eine Hand auf ihre Schulter. Sie hasste nichts mehr, als angefasst zu werden, konnte sich aber so weit beherrschen, dass sie nicht zusammenzuckte: Männer waren im Handumdrehen beleidigt. »Sagt einmal«, sprach er und flüsterte dabei vertraulich, »wie muss Euer zukünftiger Ehemann beschaffen sein?«
    Er wird mir doch um des Himmels willen keinen Heiratsantrag machen wollen, dachte Aliena missmutig und tischte ihm ihre immer gleiche Antwort auf: »Ich brauche keinen Ehemann – mein Bruder macht mir genug Ärger.«
    »Aber Ihr braucht Liebe«, meinte er.
    Sie stöhnte innerlich.
    Als sie antworten wollte, hob er eine Hand, um ihr Einhalt zu gebieten – eine männliche Angewohnheit, die sie zum Verrücktwerden fand. »Ihr wollt mir doch nicht weismachen, dass Ihr ohne Liebe auskommen könnt«, sagte er. »Jeder Mensch braucht

Weitere Kostenlose Bücher