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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Hüften breiter, die Taille runder geworden.
    Eigentlich wäre es ihre Aufgabe gewesen, Alfred das Haus zu führen. Die meiste Arbeit tat jedoch Martha. Die drei bildeten eine recht trübsinnige Familie: Martha hatte ihren Bruder noch nie gemocht, und Alienas Abneigung hatte sich mittlerweile in leidenschaftliche Abscheu verwandelt. Unter diesen Voraussetzungen war es nicht weiter erstaunlich, dass Alfred so viel Zeit wie möglich außer Haus verbrachte: die Tage bei seiner Arbeit und die Abende in der Schenke. Martha und Aliena erledigten die Einkäufe und bereiteten die Mahlzeiten zu. Die Abende verbrachten sie mit Näh- und Schneiderarbeiten. Sehnsüchtig dachte Aliena an den Frühling und an warme Sonntagnachmittage auf ihrer Waldlichtung … Da konnte sie dann friedlich im Gras liegen und von Jack träumen …
    Bis dahin blieb Richard ihr einziger Trost. Er besaß nun einen lebhaften, schnellen Rappen, ein neues Schwert und einen berittenen Schildknappen und zog wieder für König Stephan in den Kampf, wenngleich mit geringerem Gefolge. Der Krieg ging auch im neuen Jahr weiter. Mathilde war aus der Burg in Oxford entkommen und Stephan erneut durch die Lappen gegangen, und ihr Bruder, Robert von Gloucester, hatte Wareham zurückerobert. Das ewige Hin und Her nahm kein Ende. Unbedeutenden Siegen beider Seiten folgten Niederlagen und Verluste. Doch Aliena hielt sich treulich an ihren Schwur und fand wenigstens darin eine gewisse Befriedigung.
    In der ersten Woche des neuen Jahres hatte Martha ihre erste Blutung. Um die Krämpfe zu mildern, bereitete Aliena ihr einen heißen Trank aus Kräutern und Honig. Sie beantwortete Marthas Fragen über das Kreuz, das zu tragen den Frauen auferlegt war, und machte sich auf die Suche nach dem Kästchen mit den Tüchern, die sie für ihre eigene Regel bereithielt. Als es sich im ganzen Haus nicht finden ließ, fiel ihr ein, dass sie es nach ihrer Heirat nicht mit ins neue Heim genommen hatte.
    Das war schon drei Monate her.
    Sie hatte also drei Monate lang keine Blutung gehabt.
    Keine Blutung seit ihrem Hochzeitstag.
    Keine Blutung, seit sie und Jack sich geliebt hatten.
    Sie ließ Martha, die am Herdfeuer saß, ihre Zehen röstete und am Kräutertrunk nippte, wo sie war, und machte sich auf den Weg zu ihrem alten Haus am anderen Ende der Stadt. Richard war nicht da, aber sie besaß einen Schlüssel. Sie fand das Kästchen auf Anhieb, doch statt sofort wieder den Rückweg anzutreten, ließ sie sich vor der kalten Feuerstelle nieder, hüllte sich in ihren Mantel und ließ ihren Gedanken freien Lauf.
    Michaeli hatte sie Alfred geheiratet, jetzt war Weihnachten vorbei. Dazwischen lag genau ein Vierteljahr. Dreimal war Neumond gewesen, dreimal hätte das Monatsblut fließen müssen, doch die ganze Zeit über hatte das Kästchen mit den Tüchern auf dem hohen Küchenbord neben dem kleinen Wetzstein gestanden, mit dem Richard die Küchenmesser schliff. Nun hielt sie es auf ihrem Schoß. Sie ließ den Zeigefinger über das raue Holz gleiten; er färbte sich schmutzig grau. Das Kästchen war mit Staub bedeckt.
    Das Schlimmste daran war, dass sie und Alfred sich nicht ein einziges Mal geliebt hatten.
    Nach jener schrecklichen Nacht hatte er es noch dreimal versucht: einmal gleich in der Nacht darauf, das zweite Mal in der nächsten Woche, und schließlich noch einmal einen Monat später, als er noch betrunkener als gewöhnlich aus der Schenke heimgekommen war. Jedes Mal war er vollkommen unfähig gewesen. Anfangs hatte Aliena ihn aus einem gewissen Pflichtgefühl heraus sogar ermutigt, doch mit jedem neuerlichen Versagen war er noch wütender geworden, und sie hatte es mit der Angst zu tun bekommen. Es war sicherer, ihm aus dem Weg zu gehen, sich unauffällig zu kleiden und sich nie in seiner Gegenwart auszuziehen, sodass er erst gar nicht auf dumme Gedanken kam … Hätte ich mir nicht vielleicht doch etwas mehr Mühe geben sollen, fragte sie sich jetzt, obwohl sie genau wusste, dass es hoffnungslos gewesen wäre. Woran immer es liegen mochte – vielleicht an Ellens Fluch, vielleicht schlicht und einfach an Alfreds Impotenz, vielleicht aber auch an ihrer Erinnerung an Jack – Aliena fühlte sich ganz sicher, dass Alfred sie fürderhin nicht mehr anrühren würde.
    Das Kind, das sie unter dem Herzen trug, war nicht von ihm, und es gab keine Möglichkeit, ihm das vorzuenthalten.
    Unglücklich starrte Aliena auf die kalte Asche der Feuerstelle und fragte sich, warum ausgerechnet sie

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