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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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der Krypta ab, aber Prior Philip hatte zugesagt, auf dem Hochzeitsfest zu erscheinen und das glückliche Paar zu segnen. Aliena hoffte, dass er es auch schaffte. Seit jenem Tag vor sechs Jahren, als er ihr in Winchester ihren ersten Wollsack abgekauft, war er aus ihrem Leben nicht mehr fortzudenken.
    Vor der neuen Kirche, die Alfred mit Toms Hilfe gebaut, hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt. Die Eheschließung sollte auf englisch in der überdachten Vorhalle abgehalten werden, anschließend folgte eine lateinische Messe im Kirchenraum. Alfreds Bauleute waren gekommen und fast alle Frauen, die ehedem für Aliena gewebt hatten. Die Braut wurde mit Hochrufen empfangen.
    Alfred stand schon bereit, begleitet von seiner Schwester Martha und Dan, einem seiner Steinmetzen. Er trug ein neues, scharlachrotes Wams und saubere Stiefel. Sein Haar war lang und schimmerte dunkel wie das von Ellen. Aliena fiel auf, dass Ellen fehlte, und sie war enttäuscht. Doch bevor sie Martha nach ihrer Stiefmutter fragen konnte, kam der Priester auch schon heraus, und der Gottesdienst begann.
    Aliena wurde nachdenklich: Vor sechs Jahren hatte sie ihrem Vater einen Eid geschworen, der ihr Leben in völlig neue Bahnen gelenkt hatte; und nun begann ein neuer Lebensabschnitt für sie, und wiederum band sie sich durch ein Gelübde an einen Mann. Für sich selbst tat sie kaum je etwas. Heute Morgen mit Jack hatte sie allerdings eine unerhörte Ausnahme gemacht. Das kam ihr noch immer ganz und gar verwunschen vor, wie ein Traum oder eine von Jacks abenteuerlichen Geschichten, die mit dem wirklichen Leben rein gar nichts zu tun hatten. Niemand sollte je davon erfahren! Dieses allerliebste Geheimnis wollte sie für sich behalten und höchstens ab und zu – wie ein Geizhals, der im Dunkel der Nacht seine versteckten Schätze zählt – aus ihrer Erinnerung hervorkramen.
    Sie waren beim Ehegelübde angelangt, und auf des Priesters Wink hin sprach Aliena: »Alfred, Sohn von Tom Builder, ich nehme dich zu meinem Gemahl und gelobe, dir treu zu sein, heute und immerdar.« Danach wäre sie am liebsten in Tränen ausgebrochen.
    Während Alfred dieses feierliche Gelübde wiederholte, wurde es unruhig unter den Anwesenden, und mehrere Köpfe drehten sich um. Aliena und Marthas Blicke kreuzten sich, und Martha wisperte: »Ellen ist da.«
    Der Priester runzelte unwillig die Stirn und fuhr fort: »Hiermit erkläre ich euch, Alfred und Aliena, vor Gottes Angesicht zu Mann und Frau, und möge der Segen –«
    Er sollte den Satz nie beenden. Hinter Aliena ertönte es laut und deutlich: »Ich verfluche diese Ehe!«
    Ellen! Die Gemeinde stöhnte entsetzt auf.
    Der Priester versuchte es noch einmal: »Und möge der Segen –« Er hielt inne, erblasste und bekreuzigte sich.
    Aliena drehte sich um: Die Anwesenden waren zurückgewichen, und Ellen stand direkt hinter ihr. In der einen Hand hielt sie einen lebendigen Hahn, in der anderen ein langes Messer. Blut tropfte vom Messer, und Blut schoss aus dem Hals des verwundeten Tieres. »Kummer und Sorge beschwöre ich auf diese Ehe herab!«, rief sie, und ihre Worte ließen Aliena das Blut in den Adern gefrieren. »Unfruchtbar soll sie sein«, fuhr sie fort. »Bitterkeit und Hass, Trauer und Reue sollen niemals von ihr weichen. Geschlagen sein soll sie mit Impotenz.« Beim letzten Wort warf sie den Hahn hoch in die Luft. Die Leute schrien auf und duckten sich, nur Aliena stand still, wie vom Donner gerührt. Der Hahn segelte durch die Luft, verspritzte sein Blut und landete auf Alfred, der entsetzt zurücksprang. Das grausige Tier plumpste zu Boden, wo es sein Blut verströmte.
    Als alle wieder aufblickten, war Ellen verschwunden.
    Martha hatte Toms und Ellens altes Federbett, das nun Alfred und Aliena gehören sollte, mit frischen Leintüchern und einer neuen Wolldecke bezogen. Ellen war nach ihrem Auftritt in der Kirche spurlos verschwunden. Das Hochzeitsmahl war in gedrückter Stimmung verlaufen. Die Gäste, in Ermangelung anderer Unterhaltung, aßen und tranken mit grimmiger Entschlossenheit und brachen bei Sonnenuntergang auf, ohne die sonst üblichen groben Anzüglichkeiten über die Hochzeitsnacht von sich zu geben. Martha lag nun in ihrem eigenen Bett im Vorderzimmer, und Richard war in Alienas kleines Haus zurückgekehrt, das nun ihm gehörte.
    Alfred sprach von dem Haus aus Stein, das er im nächsten Sommer für sie bauen wollte. Beim Festschmaus hatte er vor Richard damit geprahlt. »Es wird ein

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