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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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viele gegessen hatte, wie er nur finden konnte. Heutzutage war nichts mehr einfach: Seine Freundschaft mit Prior Philip war schwierig, seine Liebe zu Aliena kritischen Spannungen unterworfen, sein Ehrgeiz, die schönste Kathedrale der Welt zu bauen, war übermächtig, und das Bedürfnis, die Wahrheit über seinen Vater herauszufinden, brannte ihm auf der Seele.
    Ob seine Mutter sich in den vergangenen zwei Jahren, in denen er umhergezogen war, wohl sehr verändert hatte? Er freute sich auf das Wiedersehen mit ihr. Natürlich kam er längst allein zurecht, aber es war doch ein beruhigendes Gefühl, einen Menschen zu haben, der stets für einen da war, stets für einen eintrat – und dieses tröstliche Gefühl hatte er doch sehr vermisst.
    Der kurze Winternachmittag war vorüber, und die Dämmerung setzte ein, als Jack den Teil des Waldes erreichte, in dem sie früher zusammengelebt hatten. Wenn er ihre alte Höhle nicht bald fand, würde er sich nach einem geschützten Plätzchen für die Nacht umsehen müssen. Das würde eine kalte Nacht werden. Wovor habe ich eigentlich Angst, fragte er sich. Früher habe ich jede Nacht im Wald verbracht.
    Am Ende war es Ellen, die ihn fand.
    Er hatte seine Suche schon aufgeben wollen. Der schmale, beinahe unsichtbare Pfad, dem er gefolgt war, endete in einem Dickicht. Vermutlich wurde er nur von Füchsen und Dachsen benutzt. Das Beste war wohl, wenn er den gleichen Pfad wieder zurückging. Er wendete sein Pferd – und wäre beinahe über seine Mutter gestolpert.
    »Du weißt offenbar nicht mehr, wie man sich geräuschlos durch den Wald schleicht«, sagte sie zur Begrüßung. »Der Lärm, den du machst, ist eine Meile im Umkreis zu hören.«
    Jack lächelte; sie hatte sich nicht verändert. »Hallo, Mutter«, sagte er und küsste ihr die Wange. Dann, von seiner Zuneigung überwältigt, schloss er sie in die Arme.
    Sie streichelte sein Gesicht. »Du bist noch magerer als früher.«
    Sie selbst, fand er, war braun gebrannt und gesund, ihr Haar noch dicht und dunkel, ohne eine Spur von Grau darin. Ihre Augen hatten noch immer den alten Goldton, und sie schienen noch immer direkt durch ihn hindurchzusehen. »Und du bist immer noch dieselbe«, antwortete er.
    »Wo warst du?«, fragte sie.
    »Ich bin bis nach Santiago gezogen, ja sogar noch weiter, bis nach Toledo.«
    »Aliena hat sich auf die Suche nach dir gemacht.«
    »Und sie hat mich gefunden – dank deiner Hilfe.«
    »Das freut mich.« Sie schloss die Augen, als sende sie ein Dankgebet gen Himmel. »Ich kann gar nicht sagen, wir sehr mich das freut.«
    Sie führte ihn durch den Wald zur Höhle, die kaum eine Meile weit entfernt lag – gar so schlecht war sein Gedächtnis also doch nicht. Drinnen brannten ein helles Feuer und drei sprühende Binsenlichter. Ellen gab ihm einen Krug Apfelmost, den sie aus Holzäpfeln und wildem Honig selbst machte, und sie rösteten sich Kastanien über dem Feuer. Jack hatte ihr verschiedene Dinge mitgebracht, von denen er aus Erfahrung wusste, dass sie von Waldbewohnern nicht selbst herzustellen waren: Messer, Schnur, Seife und Salz. Ellen begann, ein Wildkaninchen zu enthäuten. »Wie geht’s dir, Mutter?«, fragte Jack.
    »Gut«, sagte sie, doch dann sah sie auf und erkannte, dass seine Frage ernst gemeint war. »Toms Tod macht mir immer noch Kummer«, erklärte sie, »aber daran ist nun mal nichts zu ändern, und ich werde mir keinen anderen Mann suchen.«
    »Und sonst – fühlst du dich hier wohl?«
    »Ja und nein. Ich bin das Leben im Wald gewohnt, ich bin gerne allein, und ich konnte es noch nie leiden, wenn mir aufdringliche Pfaffen vorschreiben wollten, wie ich mich zu verhalten habe. Aber ihr fehlt mir – du, Martha und Aliena, und es wäre schön, wenn ich mehr von meinem Enkelchen haben könnte.« Sie lächelte. »Aber ich kann nicht wieder nach Kingsbridge ziehen – nicht, nachdem ich eine christliche Hochzeit verflucht habe. Das verzeiht mir Prior Philip nie. Aber was soll’s – wenn es dich und Aliena zusammengebracht hat, ist es mir das wert.« Sie sah von ihrer Arbeit auf und lächelte ihn fröhlich an. »Und wie gefällt dir das Eheleben?«
    »Nun ja«, sagte er zögernd, »wir sind ja nicht verheiratet. In den Augen der Kirche ist Aliena immer noch Alfreds Frau.«
    »Sei nicht albern. Was versteht die Kirche schon davon?«
    »Nun ja, die Priester wissen, wen sie getraut haben, und sie wollten mich nicht den neuen Dom bauen lassen, solange ich mit der Frau eines

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