Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
sich, den Griff zu lockern. Er schluckte trocken. Manche der Gegner führten Bögen und brennende Pfeile mit sich! Dann teilten sie sich auf: Die Bogenschützen hielten auf die Mauer zu, die anderen auf die Erdwälle. William glaubte also, die Mauer nicht erstürmen zu können, denn er hatte sich nicht klargemacht, dass der Mörtel noch feucht sein musste. Er hatte sich an der Nase herumführen lassen! Jack gestattete sich einen winzigen Augenblick des Triumphes.
Dann waren die Angreifer da.
Die Stadtbewohner feuerten ihre Pfeile ab, die auf die Berittenen niederhagelten, doch nur wenige Opfer fanden. Die Pferde hatten den Graben erreicht, und viele scheuten, während andere hineinstürmten und auf der anderen Seite wieder herauskamen. Ein Hüne von einem Mann im Panzerkettenhemd setzte geradewegs über den Graben. Sein Pferd kam am Fuße des Erdwalls auf, und er trieb es sofort hügelauf. Jack hob seine Schleuder und zielte: Sein Schuss war so sicher wie eh und je. Der Stein traf das Ross mitten auf der Nase. Es wieherte vor Schmerz, bäumte sich auf und machte kehrt. Als es davontrabte, glitt der Reiter aus dem Sattel und zog sein Schwert.
Verschiedene Reetdächer hatten bereits Feuer gefangen, und die jungen Frauen, die zur Feuerwache abkommandiert waren, wurden der Flammen nicht mehr Herr. Das kann nicht gut gehen, dachte Jack entsetzt. Alle unsere Anstrengungen waren umsonst.
Die Berittenen formierten sich neu und griffen wieder an, manche nunmehr zu Fuß. Sie wurden mit einem Hagel aus Steinen und Pfeilen empfangen. Jack feuerte seine Schleuder mit der Regelmäßigkeit einer Maschine ab: laden und zielen, laden und zielen … Die Reihen der Angreifer lichteten sich merklich. Direkt unterhalb Jack stürzte einer der Reiter und verlor dabei seinen Eisenhut. Das hervorquellende Blondhaar verriet, dass es William persönlich war.
Keines der Pferde schaffte es, den rutschigen Erdwall zu erklimmen, doch zu Jacks Schrecken gelang es einigen ihrer Reiter. Mit Schwertern und Lanzen attackierten sie die Stadtbewohner, die sich mit Äxten und Stangen wehrten. Mehrere Angreifer gelangten gar über den Erdwall, und Jack sah ganz in seiner Nähe vier, fünf Männer aus Kingsbridge fallen.
Doch jeder der Eindringlinge wurde sofort von acht oder zehn Männern umringt, die erbarmungslos mit Stöcken und Äxten auf ihn einhieben, und wiewohl auch Bürger verwundet wurden, machten sie den Angreifern doch rasch den Garaus. Schließlich gelang es ihnen sogar, die Horde wieder hinter den Erdwall zurückzutreiben. Der Angriff verlief im Sand, und die Berittenen trabten ziellos umher. Dankbar für die Pause, atmete Jack tief durch.
William hob sein Schwert und stieß einen Schrei aus, um die Aufmerksamkeit seiner Mannen auf sich zu ziehen. Er schwenkte es im Kreis zum Zeichen, dass sie sich sammeln sollten, und deutete auf die Wälle. Er wollte also ein zweites Mal angreifen.
Da sah Jack eine Chance.
Er legte einen Stein in seine Schleuder und zielte sorgfältig.
Pfeilgerade flog der Stein durch die Luft und traf William mitten auf der Stirn – mit so viel Wucht, dass der Aufprall bis zu Jack zu hören war.
William ging zu Boden.
Seine Mannen standen zaudernd herum, der Angriff fiel in sich zusammen.
Ein großer, dunkelhaariger Recke sprang vom Pferd und eilte dem Gestürzten zu Hilfe – vermutlich Walter, Williams Pferdeknecht, der nie von seiner Seite wich. Er kniete neben William nieder, und Jack hoffte schon, er sei tot. Doch dann bewegte er sich, und Walter half ihm auf die Füße. Er wirkte stark benommen. Aller Augen – diesseits wie jenseits der Stadtbefestigung – waren unverwandt auf ihn gerichtet, der Hagel aus Steinen und Pfeilen versiegte.
Walter half seinem schwankenden Herrn aufs Pferd und saß hinter ihm auf. Dann schwenkte er sein Schwert zum Sammeln und deutete, zu Jacks tiefster Erleichterung, mit der Spitze auf den Wald.
Walter versetzte dem Pferd einen Tritt, und es setzte sich in Bewegung.
Die Berittenen folgten ihm. Wer noch auf den Erdwällen focht, machte nun ebenfalls kehrt und lief hinter seinem Anführer drein. Steine und Pfeile folgten dem Rückzug bis durch das Gerstenfeld.
Die Stadtbewohner brachen in Siegesgeheul aus.
Jack sah sich benommen um. War wirklich schon alles vorüber? Er konnte es noch gar nicht fassen. Die Frauen hatten die Brandherde mittlerweile unter Kontrolle gebracht. Auf den Wällen fielen sich die Männer in die Arme und tanzten siegestrunken herum. Richard
Weitere Kostenlose Bücher