Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
ihrer Ehe abgelehnt, anscheinend aufgrund einer Intervention seitens Walerans. Philip war der Meinung, sie solle es noch ein zweites Mal versuchen, doch sie müsse weiterhin von Jack getrennt leben. Er gab zu, dass das ungerecht war, doch er hielt es für den Willen Gottes. Aliena hielt es eher für Böswilligkeit.
An ihrer Reue trug sie ebenso schwer wie an ihrer Schwangerschaft. Sie bereute, dass sie Jack so wehgetan, sie bereute, was sie sich selbst damit angetan, ja, sie bereute sogar das Leid, das sie dem ekelhaften Alfred zugefügt hatte. Der lebte mittlerweile in Shiring und ließ sich in Kingsbridge nicht mehr blicken. Sie hatte ihn nur aus einem einzigen Grund geheiratet – damit Richard weiterhin versuchen konnte, den Grafentitel zurückzugewinnen. Das hatte sie nicht erreicht. Sie war sechsundzwanzig Jahre alt, ihr Leben lag in Scherben, und sie konnte niemandem die Schuld daran geben – außer sich selbst.
Sie hörte Schritte, die sich näherten, und setzte sich rasch auf. Es war Jack, schmal und geschmeidig wie eine Katze. Er setzte sich neben sie und küsste sie zärtlich auf den Mund. Er roch nach Schweiß und Steinstaub. »Lass uns ein Bad nehmen«, schlug er vor. »Es ist so heiß.«
Die Versuchung war unwiderstehlich.
Jack zog sich aus, und sie sah ihm hungrig dabei zu. Es war Monate her, dass sie seinen Körper zum letzten Mal gesehen hatte! Er warf ihr einen auffordernden Blick zu, und schüchtern begann sie, ihre Kleider abzulegen. Er hatte sie während keiner ihrer Schwangerschaften nackt gesehen, und sie befürchtete, ihr angeschwollener Leib könne ihn abstoßen. Ängstlich beobachtete sie seine Miene, doch darin war nichts als seine tiefe Zuneigung zu lesen. Ich hätte es wissen müssen, dachte sie.
Rasch kniete er vor ihr nieder und küsste sie auf den Bauch. Sie lachte verlegen auf, und er berührte ihren Nabel. »Er steht ja hervor«, sagte er verwundert.
»Ich wusste doch, dass du das sagen würdest!«
»Früher war er wie eine Einbuchtung – jetzt ist er wie ein Knopf.«
»Geh’n wir ins Wasser«, schlug sie vor. Dort würde sie sich weniger verlegen fühlen.
Der Teich unter dem Wasserfall war etwa drei Fuß tief, und Aliena ließ sich hineingleiten. Das Wasser kühlte wunderbar, und sie schauderte vor Entzücken. Jack glitt neben ihr in den Teich, der mit wenigen Fuß Durchmesser zum Schwimmen nicht groß genug war. Jack steckte den Kopf unter den Wasserfall und wusch sich den Staub aus den Haaren. Aliena tat es ihm nach, indem sie einfach untertauchte.
Als sie wieder an die Oberfläche kam, um Luft zu schnappen, wurde sie von Jack geküsst.
Atemlos spritzte und lachte sie und rieb sich das Wasser aus den Augen. Jack küsste sie erneut. Als sie die Hand ausstreckte, um Halt zu finden, berührte sie Jacks Glied, das hart zwischen seinen Lenden hochragte. Aliena seufzte vor Freude.
»Das hat mir so gefehlt«, flüsterte Jack ihr ins Ohr, mit einer Stimme, die brüchig klang vor Lust und Bedauern.
Alienas Verlangen machte ihr die Kehle eng. »Werden wir unser Versprechen brechen?«
»Jetzt und immerdar.«
»Wie meinst du das?«
»Wir werden nicht mehr getrennt leben. Wir gehen fort von Kingsbridge.«
»Aber was willst du dann tun?«
»In eine andere Stadt ziehen, an einer anderen Kathedrale bauen.«
»Aber dann wärst du nicht Dombaumeister. Es wäre nicht deine Kathedrale.«
»Eines Tages ergibt sich vielleicht eine neue Gelegenheit. Ich bin ja noch jung.«
Vielleicht – aber alles sprach dagegen. Aliena wusste es – und Jack auch. Das Opfer, das er ihr bringen wollte, rührte sie zu Tränen: Niemand konnte sie jemals mehr lieben als er! Doch sie konnte das Opfer nicht annehmen. »Das mache ich nicht mit«, sagte sie.
»Wie bitte?«
»Ich werde Kingsbridge nicht verlassen.«
»Wieso nicht?«, gab er aufgebracht zurück. »Woanders können wir zusammenleben wie Mann und Frau, und kein Hahn kräht danach. Wir könnten uns sogar in der Kirche trauen lassen.«
Sie streichelte sein Gesicht. »Ich liebe dich viel zu sehr, um dich deiner Kathedrale wegzunehmen.«
»Das habe ich selber zu entscheiden.«
»Jack, es ist lieb von dir, aber es bricht mir schier das Herz. Dass du bereit bist, dein ganzes Lebenswerk aufzugeben, nur um mit mir zusammenleben zu können … Wie sehr du mich lieben musst! Aber du liebst auch deine Arbeit, und ich will sie dir nicht nehmen. So eine Frau bin ich nicht, und das ist auch keine Lösung. Es würde unser ganzes Leben
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