Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
durchs Gebüsch. Aliena hatte Tommy und Sally bei Martha gelassen, wo ein Feuer brannte und sie gut aufgehoben waren. Jetzt wurde sie von der furchtbaren Angst vorwärtsgetrieben, den Kindern könne während ihrer Abwesenheit etwas zustoßen. Wo immer es ihnen möglich war, rannten sie, doch über weite Strecken war das Gelände dafür zu unwegsam. In einer tiefen Senke lag der Sumpfgrund. Sie rutschten die steile Böschung hinab. Schon manch ein unvorsichtiger Fremder hatte sich hier verirrt und war unrettbar im Morast versunken. Ortskundige überquerten ihn gefahrlos, doch hemmte der tiefgründige, nasse Boden Alienas Lauf. Sie kam immer langsamer voran und wurde immer aufgeregter.
    Hinter dem Sumpfgrund kam die Furt. Das kalte Wasser ging Aliena bis an die Knie und spülte ihr den Matsch von den Füßen.
    Nach dem Fluss war der Weg ebener, und es ging schneller voran. Je näher sie der Stadt kamen, desto lauter dröhnten die Sturmglocken. Irgendjemand muss Kingsbridge vor der heranrückenden Gefahr gewarnt haben, dachte Aliena und klammerte sich an diesen Hoffnungsschimmer. Als sie mit Jack aus dem Wald kam und über die Wiese vor dem Fluss lief, trafen gleichzeitig mit ihnen noch zwanzig oder dreißig Jugendliche ein, die in einem nahe gelegenen Dörfchen Fußball gespielt hatten. Trotz der Kälte stand den Jungen der Schweiß auf der Stirn.
    Sie rannten über die Brücke. Das Tor war schon geschlossen, doch die Männer auf den Befestigungen hatten sie gesehen und erkannt. Eine kleine Ausfallpforte wurde geöffnet. Jack machte seine Autorität geltend und sorgte somit dafür, dass die Jungen ihm und Aliena den Vortritt ließen. Aliena war erleichtert, dass es ihnen gelungen war, rechtzeitig vor den Outlaws in die Stadt zurückzukehren.
    Keuchend vor Anstrengung liefen sie die Hauptstraße entlang. Mit Speeren, Bogen und schweren Steinen bewaffnet besetzte die Bevölkerung von Kingsbridge die Wälle und Mauern. Die Kinder wurden zusammengetrieben und in die Priorei geschickt. Martha hat Tommy und Sally bestimmt schon hingebracht, dachte Aliena.
    Im Hof der Klosterküche erblickten sie zu ihrem großen Erstaunen Ellen, Jacks Mutter. Sie war schlank und rank wie eh und je, die Haut gebräunt, doch mischten sich erste graue Strähnen in ihr langes Haar, und um die vierundvierzigjährigen Augen zeigten sich Fältchen. Ellen unterhielt sich angeregt mit Richard. In einiger Entfernung von ihr stand Prior Philip und dirigierte die Kinderschar ins Kapitelhaus. Er hatte Ellen anscheinend noch nicht gesehen.
    Auch Martha stand in der Nähe, und bei ihr waren Tommy und Sally. Aliena atmete erleichtert auf und umarmte die beiden Kinder.
    »Mutter!«, rief Jack aus. »Was machst du denn hier?«
    »Ich kam, um euch vor der Räuberbande zu warnen, die die Stadt überfallen will.«
    »Wir waren im Wald und haben sie gesehen«, sagte Jack.
    Richard spitzte die Ohren. »Ihr habt sie gesehen? Wie viele waren es?«
    »Ich weiß nicht genau – aber ich schätze mindestens hundert, vielleicht auch mehr.«
    »Wie sind sie bewaffnet?«
    »Mit Keulen, Messern, auch ein paar Äxte habe ich gesehen. Aber vor allem Keulen und Knüppel.«
    »Aus welcher Richtung kommen sie?«
    »Aus Norden.«
    »Dank dir. Ich muss jetzt hinauf auf die Mauern und Ausschau halten.«
    »Martha, bring die Kinder ins Kapitelhaus«, sagte Aliena und folgte Richard. Auch Ellen und Jack kamen mit.
    Auf ihrem Weg durch die Stadt wurde Richard mehrfach von aufgeregten Bürgern angesprochen. »Was ist los?«, fragten ihn die Leute.
    »Outlaws«, antwortete Richard knapp und ließ sich durch die Fragen nicht aufhalten.
    Sieh mal einer an, dachte Aliena. Scheucht man ihn vom Lager und schimpft ihn einen Taugenichts, der endlich auf eigenen Füßen stehen soll, dann kommt er einem vor wie ein Versager. Aber in militärischen Notlagen behält er die Übersicht.
    Sie erreichten die nördliche Stadtmauer und kletterten die Leiter zur Brustwehr hoch. In regelmäßigen Abständen lagen Steinhaufen bereit. Bogenschützen bemannten die Zinnen. Richard hatte den Rat der Stadt vor einiger Zeit gegen starke Widerstände dazu überredet, einmal im Jahr Notstandsübungen abzuhalten. Inzwischen hatten sich die Bürger daran gewöhnt; die Übungen waren zum Ritual geworden wie die alljährlichen Feiern zur Mittsommernacht, und jedermann hatte Spaß daran. Nun zeigte sich ihr wahrer Wert: Als die Sturmglocken läuteten, wusste jeder Bürger der Stadt, was er zu tun hatte; es gab keine

Weitere Kostenlose Bücher