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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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heruntergekommen war, ging mit strammen Schritten auf seinen Kommandanten zu und redete auf ihn ein.
    Die Reiter waren, wie Aliena durch das offenstehende Tor sehen konnte, noch immer gut zweihundert Schritt entfernt – also noch viel zu weit! Aliena hätte schreien können vor Wut und Verzweiflung. Lange halte ich es nicht mehr aus, dachte sie.
    Michael Armstrong drehte sich um. Just in diesem Moment zupfte ihn der Einäugige am Ärmel, raunte ihm etwas zu und deutete auf Aliena.
    Aliena war wie besessen von dem Gedanken, dass Michael noch vor Ankunft der Reiter das Tor schließen und die Zugbrücke hochziehen lassen könnte, und sie wusste nicht, wie sie ihn daran würde hindern können. Sie fragte sich, ob sie imstande wäre, sich im kritischen Augenblick, also bevor er die entscheidenden Befehle geben konnte, auf ihn zu stürzen. Sie dachte an den Dolch, der an ihren linken Arm gebunden war, und sagte sich: Notfalls kann ich ihn sogar töten. Da wandte sich Michael Armstrong mit einer entschlossenen Bewegung zum Gehen. Aliena berührte Elisabeths Ellbogen. »Haltet Michael zurück!«, zischte sie ihr zu.
    Elisabeth öffnete den Mund, brachte aber keinen Laut hervor. Sie war vor Angst wie versteinert. Dann wandelte sich ihr Ausdruck plötzlich. Sie holte tief Luft, reckte den Kopf und rief in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ: »Michael Armstrong!«
    Michael kehrte um.
    Jetzt gibt es kein Zurück mehr, dachte Aliena. Richard hat es immer noch nicht ganz geschafft – und uns hier geht die Zeit aus. Sie wandte sich an Elisabeth. »Jetzt müsst Ihr es ihnen sagen.«
    Und Elisabeth sagte: »Ich übergebe diese Burg dem rechtmäßigen Grafen von Shiring, Richard von Kingsbridge.«
    Michael Armstrong starrte seine Herrin ungläubig an und schrie: »Das kann doch nicht Euer Ernst sein!«
    Elisabeth fuhr fort: »Ich befehle euch allen, auf der Stelle die Waffen niederzulegen. Es soll zu keinem Blutvergießen kommen.«
    Michael drehte sich um und schrie: »Die Brücke hoch! Schließt die Tore!«
    Die Bewaffneten sprangen herbei, um seinen Befehl zu erfüllen, aber Michael Armstrong hatte einen Augenblick zu lange gezögert. Als die Männer das schwere, eisenbeschlagene Tor erreichten, klapperte auf der anderen Seite gerade Richards Vorhut über die Zugbrücke und ritt unbehelligt in den Burghof ein. Michaels Leute trugen zum großen Teil keine Rüstung, und manche von ihnen hatten noch nicht einmal ihr Schwert parat. So stoben sie vor den anrückenden Reitern auseinander.
    »Ruhe bewahren!«, rief Elisabeth. »Diese Boten werden meine Befehle bestätigen!«
    Von den Zinnen tönte ein aufgeregter Schrei: »Michael! Attacke! Wir werden angegriffen! Sie kommen zu Dutzenden!«
    »Verrat!«, brüllte Michael und zog sein Schwert. Aber da waren auch schon zwei von Richards Reitern über ihm. Klingen blitzten auf, Blut spritzte, und der Kommandant der Wache stürzte zu Boden. Aliena wandte sich ab.
    Ein paar von Richards Leuten hatten inzwischen das Torhaus und den kleinen Raum mit der Zugbrückenwinde besetzt. Zwei weitere erstürmten die Zinnen, wo Michaels Posten sich kampflos ergaben.
    Nun galoppierte Richards Haupttruppe über das freie Gelände vor der Burg. Ihr Anblick ließ Alienas Herz höher schlagen.
    »Dies ist eine friedliche Übergabe!«, rief Elisabeth, so laut sie konnte. »Niemandem wird ein Leid angetan, das verspreche ich euch. Bleibt, wo ihr seid!«
    Die Menschen auf dem Burghof blieben stehen wie angewurzelt und lauschten dem Donnerhall der anstürmenden Armee. Michaels Bewaffnete waren sichtlich verwirrt und unsicher, aber keiner von ihnen rührte die Hand: Ihr Anführer war gefallen, ihre Gräfin hatte sie zur Kapitulation aufgerufen. Das Personal war von der Schnelligkeit der Ereignisse wie gelähmt.
    Und dann ritt Richard von Kingsbridge auf seinem Schlachtross zum Tor herein.
    Es war ein großartiger Augenblick, der Alienas Herz mit Stolz erfüllte. Richard sah blendend aus; er lächelte und kostete seinen Triumph aus. Aliena rief: »Der rechtmäßige Graf!« Die Männer, die hinter Richard auf dem Burghof Einzug hielten, nahmen den Ruf auf, und auch in der Menge erhoben sich ein paar Stimmen, die ihn wiederholten – die meisten Menschen in der Runde waren auf William nicht gut zu sprechen. Im Schritt ritt Richard rund um den Burghof. Er winkte der Menge zu und bedankte sich für den freundlichen Empfang.
    Aliena musste daran denken, was sie um dieses glücklichen Augenblicks willen alles

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