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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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schnatternden Enten auf dem Dorfteich, die Kirche aus blassgrauem Stein, die Kinder mit ihren Apfelbäckchen, die breithüftigen Weiber und die starken, aufbrausenden Männer. Er hasste die Dürftigkeit, Langeweile und Armut des Dorfes, und er hasste es, weil es ein Symbol war für den Machtverlust seiner Familie. Im Frühjahr sah er den Bauern zu, wie sie mühsam hinter ihren Pflügen herschritten, schätzte, wie groß sein Anteil an der sommerlichen Ernte sein würde, und kam zu nur sehr mageren Ergebnissen. Er ging auf die Jagd in den paar Waldungen, die ihm noch verblieben waren, und störte nicht einen einzigen Hirsch auf. »Ihr müsst Euch mit Wildschweinen begnügen«, erklärte ihm der Forstmeister. »Den Hirschen haben die Outlaws während der Hungersnot den Garaus gemacht.« William hielt Gericht im großen Saal seines Hauses, wo der Wind durch die Löcher im Flechtwerk der Wände pfiff. Er urteilte und strafte hart und ganz nach Lust und Laune, aber besondere Genugtuung zog er aus seinem Richteramt nicht.
    Den Plan, in Shiring eine neue, große Kirche zu bauen, hatte er natürlich aufgegeben. Er konnte es sich nicht einmal leisten, für sich selbst ein eigenes Steinhaus zu bauen – geschweige denn eine Kirche. Als er sie nicht mehr bezahlen konnte, hatten die Maurer und Steinmetzen ihre Arbeit eingestellt. William wusste nicht, was aus ihnen geworden war – vielleicht waren sie alle nach Kingsbridge zurückgekehrt und arbeiteten wieder für Prior Philip.
    Was William Hamleigh zunehmend plagte, waren Albträume. Sie waren immer gleich: Er sah seine Mutter im Reich der Toten. Sie blutete aus Ohren und Augen, und wenn sie den Mund öffnete, um zu sprechen, floss das Blut auch aus ihrem Mund. Ihr Anblick erfüllte ihn mit Todesangst. Tagsüber konnte er nie sagen, woran es lag, dass ihn dieser Traum so entsetzte, denn seine Mutter bedrohte ihn in keiner Weise. Bei ihren nächtlichen Erscheinungen jedoch überkam ihn blinde, hysterische Panik, die sich jeder vernünftigen Einsicht entzog. Als kleiner Junge war er einmal durch einen Teich gewatet und unversehens in eine Tiefe geraten. Er war untergegangen und hatte keine Luft mehr bekommen. Die übermächtige, alles verzehrende Gier nach Luft, die ihn damals über­fallen hatte, gehörte zu seinen nachhaltigsten Kindheitserinnerungen. Das Entsetzen, das mit den Albträumen kam, war um ein Vielfaches schlimmer. Stets wollte er vor Mutters Blutgesicht davonlaufen, aber es war hoffnungslos; er hätte ebenso gut versuchen können, in einer Treibsanddüne um sein Leben zu rennen. Wenn er dann stöhnend und schweißgebadet aus dem Schlaf fuhr, war sein ganzer Körper verspannt und verkrampft von der durchlittenen Agonie, und Walter stand mit einer Kerze in der Hand an seinem Lager. (William schlief, da es im Haus kein eigenes Schlafgemach gab, in der großen Halle, von den Männern seines Gefolges nur durch einen Wandschirm getrennt.) »Ihr habt im Schlaf geschrien, Herr«, murmelte der Freund. Und während der Albtraum ihn langsam aus seinem furchtbaren Griff entließ, sah William sich schwer atmend um, erkannte das richtige Bett, die richtige Wand, den leibhaftigen Walter … Die Angst begann zu schwinden, und er sagte: »Es war nichts, nur ein böser Traum. Geh fort!« Was blieb, war die Furcht, wieder einzuschlafen, und am nächsten Morgen sahen seine Männer ihn an, als sei er verhext.
    Ein paar Tage nach dem Gespräch mit Remigius – William saß auf demselben harten Stuhl vor dem gleichen rauchigen Feuer – betrat Bischof Waleran das Haus.
    William war unangenehm überrascht. Er hatte die Pferde gehört, war aber davon ausgegangen, dass es Walter war, der von der Mühle zurückkehrte. Er wusste nicht, wie er sich dem Bischof gegenüber verhalten sollte. Waleran war immer anmaßend gewesen, hatte immer den Überlegenen hervorgekehrt, sodass William sich oft wie ein täppischer, ungehobelter Dorftrottel vorgekommen war. Es war ihm peinlich, dass Waleran sah, in welch bescheidenen Verhältnissen er jetzt lebte.
    Er erhob sich nicht einmal, um den Besucher zu begrüßen. »Was wollt Ihr?«, fragte er barsch. Er hatte nicht die geringste Veranlassung, höflich zu sein: Waleran sollte so schnell wie möglich wieder verschwinden.
    Der Bischof sah über den unfreundlichen Empfang hinweg. »Der Vogt ist tot«, sagte er.
    William verstand nicht, worauf Waleran hinauswollte. »Was schert das mich?«, fragte er.
    »Man braucht einen Nachfolger.«
    Na und, wollte

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