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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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dem Gerüst in luftiger Höhe, betrachtete sich die neuen Risse und zerbrach sich schier den Kopf darüber. Er brauchte irgendeine Klammer, die verhinderte, dass der obere Teil der Mauer sich im Wind immer bewegte.
    Er rief sich ins Gedächtnis zurück, wie der untere Teil stabilisiert wurde: In der Außenwand des Seitenschiffs befanden sich kräftige, dicke Pfeiler, die durch im Seitenschiffdach verborgene Halbbogen mit der Mauer des Hauptschiffs verbunden waren. Die Pfeiler und Halbbogen stützten die Mauer aus der Entfernung, ähnlich wie äußere Strebepfeiler. Da die Stützen nicht zu sehen waren, wirkte das Kirchenschiff leicht und anmutig.
    Für den oberen Teil der Mauer musste Jack sich etwas Ähnliches einfallen lassen. Eine Möglichkeit bestand darin, das Seitenschiff aufzustocken und die untere Konstruktion einfach zu wiederholen. Das hatte jedoch den Nachteil, dass dadurch der Grundgedanke des neuen Stils – mehr Licht in die Kirche – sich nicht mehr verwirklichen ließe.
    Natürlich waren es nicht die Seitenschiffe als solche, die die Stützfunktion ausübten, sondern die in die Wand eingelassenen schweren Pfeiler sowie die verbindenden Halb- oder Schwibbogen im Dach. Am liebsten hätte Jack Pfeiler und Schwibbogen zur Stützung des Obergadens errichtet, ohne sie in die Seitenschiffe einzubeziehen: Wenn mir das gelingt, dachte er, dann ist das Problem mit einem Schlag gelöst.
    Von unten rief eine Stimme seinen Namen.
    Jack runzelte unwillig die Stirn. Bevor die Stimme ihn unterbrach, war ihm eine Idee gekommen – jetzt war sie wieder fort. Er sah hinab. Der Mann, der ihn gerufen hatte, war Prior Philip.
    Jack verschwand im Treppenturm. Unten wartete Philip bereits auf ihn. Der Prior kochte vor Wut und kam sofort zur Sache. »Richard hat mich betrogen!«, rief er.
    »Wie das?«, fragte Jack überrascht.
    Philip ging nicht sofort auf die Frage ein. »Und das nach all dem, was ich für ihn getan habe!«, tobte er. »Ich habe Alienas Wolle aufgekauft, als alle anderen sie übervorteilen wollten – ohne mich wäre sie wahrscheinlich nie ins Geschäft gekommen! Als der Handel zusammenbrach, habe ich dafür gesorgt, dass Richard die Stelle des Wachhauptmanns bekam. Und im November vergangenen Jahres steckte ich ihm vorzeitig die Nachricht vom bevorstehenden Friedensschluss zu und gab ihm so die Chance, Earlscastle zurückzuerobern. Und was macht er, kaum dass er seine Grafschaft wiederhat und in Glanz und Gloria regieren kann? Er kehrt sich gegen mich.«
    Noch nie hatte Jack den Prior so wütend gesehen. Philips geschorener Schädel war rot vor Empörung, und er stieß seine Worte mit ungewohnter Hast hervor.
    »Was hat er denn getan?«
    Wieder ignorierte der Prior die Frage. »Ich wusste immer schon, dass Richard einen schwachen Charakter hat. Er hat Aliena in all den Jahren kaum unterstützt, sondern immer nur von ihr genommen, je nachdem, wie es ihm passte. Ihre Bedürfnisse waren ihm immer gleichgültig. Was ich nicht wusste, war, dass er ein ganz durchtriebener Halunke ist.«
    »Was genau hat er denn getan?«
    Jetzt endlich ließ Philip die Katze aus dem Sack. »Er hat uns den Zugang zum Steinbruch verweigert.«
    Jack war erschüttert. Das war in der Tat ein starkes Stück. »Wie rechtfertigt er sich denn?«
    »Er behauptet, dass alle Güter wieder denjenigen gehören, die sie zu Zeiten des alten Königs Henry besaßen. Der Steinbruch wurde uns aber von König Stephan zugesprochen.«
    Richards Habgier war beachtlich. Dennoch konnte sich Jack über die Geschichte nicht so aufregen wie Philip. Die Kathedrale war zur Hälfte fertig – überwiegend errichtet aus Steinen, die sie hatten kaufen müssen. Es würde schon irgendwie weitergehen. »Nun ja«, sagte er, »da ist er streng genommen wohl im Recht.«
    Philip war außer sich. »Wie könnt Ihr so etwas sagen?«
    »Es erinnert mich ein wenig an Euer Verhalten mir gegenüber«, sagte er. »Ich hatte Euch die Weinende Madonna mitgebracht, einen großartigen Entwurf für Eure neue Kathedrale erstellt und schließlich eine Stadtmauer errichtet, um Euch gegen Williams Übergriffe zu schützen … Und da verkündet Ihr auf einmal, dass ich mit der Mutter meiner Kinder nicht mehr zusammenleben darf. So etwas nenne ich Undankbarkeit.«
    Philip war tief getroffen von dem Vergleich. »Das ist doch etwas ganz anderes!«, protestierte er. »Ich will nicht, dass Ihr getrennt lebt. Es war Waleran, der die Annullierung Eurer Ehe verhindert hat. Und das Gesetz

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