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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ihre Peiniger zu greifen suchten – wodurch für jene das Spiel erst richtig lustig wurde. Die meisten Geblendeten starben nach ein, zwei Jahren einen elenden Tod.
    »Ich hab’s doch gewusst, dass dich das zur Vernunft bringt«, sagte Alfred. Er beugte sich über sie, die Knie neben ihren Hüften auf dem Boden, den Dolch unverändert vor ihren Augen. Wieder zog er ihr Gesicht näher an sich heran. »So«, sagte er dann, »und jetzt sei lieb zu mir.« Er küsste sie.
    Sein unrasiertes Gesicht schrammte über ihre Haut. Sein Atem roch nach Bier und Zwiebeln. Sie presste die Lippen zusammen.
    »Das ist nicht lieb. Küss mich auch.«
    Er küsste sie erneut. Als die Messerspitze ihr Lid berührte, bewegte Aliena die Lippen. Ihr wurde übel vom Geschmack seines Mundes. Alfred stieß seine raue Zunge zwischen ihre Zähne. Aliena war zum Speien zumute. Verzweifelt versuchte sie, das Ekelgefühl zu unterdrücken. Wenn ich mich übergebe, wird er mich töten, dachte sie.
    Er richtete sie auf, ohne den Dolch von ihren Augen zu nehmen, und sagte: »So. Fass an.« Er nahm ihre Hand und zog sie unter den Rock seiner Tunika. Sie berührte sein Geschlecht. »Nimm ihn in die Hand«, sagte er und fügte, als sie seinen Wunsch erfüllt hatte, hinzu: »Reib ihn. Aber sanft.«
    Aliena gehorchte. Wenn ich ihn auf diese Weise befriedige, verschont er mich vielleicht, dachte sie. Angstvoll betrachtete sie sein Gesicht. Es war rot angelaufen, die Augen hielt er geschlossen. Sie streichelte sein Glied bis hinunter zur Wurzel und musste daran denken, wie sehr Jack diese Liebkosung immer genoss. Es machte ihn ganz verrückt.
    Sie fürchtete, nie wieder Spaß an dieser Zärtlichkeit zu haben, und Tränen stiegen ihr in die Augen.
    »Nicht so fest!«, sagte er und fuchtelte bedrohlich mit dem Messer.
    Aliena riss sich zusammen, konzentrierte sich.
    Und dann ging die Tür auf.
    Ihr Herz füllte sich mit Hoffnung. Ein Keil strahlend hellen Sonnenlichts fiel ins Zimmer und funkelte verwirrend durch die Tränen in ihren Augen. Alfred erstarrte. Sie nahm ihre Hand fort.
    Beide starrten sie auf die Tür. Wer war es? Aliena konnte nichts erkennen. Bitte, lieber Gott, erspar den Kindern diesen Anblick. Ich müsste vor Scham in den Boden versinken … Dann hörte sie einen leisen Wutschrei. Es war die Stimme eines Mannes. Sie blinzelte die Tränen fort und erkannte ihren Bruder Richard.
    Armer Richard! Es war fast noch schlimmer, als wenn es Tommy gewesen wäre. Richard trug eine Narbe am linken Ohr, die ihn für alle Zeiten an jene grauenvolle Szene erinnerte, die er als Vierzehnjähriger hatte miterleben müssen. Jetzt erlebte er es zum zweiten Mal. Wie sollte er je darüber hinwegkommen?
    Alfred versuchte sich aufzurappeln, doch Richard war schneller als er. Wie der Blitz stürmte er durchs Zimmer, holte aus und traf Alfred mit seinem stiefelbewehrten Fuß voll am Kinn. Alfred krachte rückwärts gegen den Tisch. Richard verfolgte ihn, trat dabei, ohne es zu merken, auf Aliena und drosch mit Händen und Füßen auf den Übeltäter ein. Aliena kroch aus der Gefahrenzone. Richards Gesicht war eine Maske aus zügelloser Wut. Er sah sich nicht nach Aliena um. Er beachtete sie überhaupt nicht. Es geht ihm gar nicht um mich, begriff sie. Seine Wut richtet sich gar nicht gegen Alfred und das, was er mir antun wollte, sondern gegen das, was William und Walter vor achtzehn Jahren ihm selbst angetan haben … Damals war Richard ein schwacher, hilfloser Junge gewesen. Heute war er ein großer, starker Mann und ein kampferprobter Soldat, und endlich hatte er eine Zielscheibe für die rasende Wut gefunden, die er in all den Jahren in seinem Herzen genährt hatte. Unbarmherzig schlug er auf Alfred ein. Alfred suchte taumelnd hinter dem Tisch Zuflucht und machte mit erhobenen Armen zaghafte Abwehrversuche. Dann landete Richard einen Volltreffer auf seinem Kinn, und Alfred kippte nach hinten um.
    Mit schreckgeweiteten Augen lag er auf den Binsenmatten. Aliena wurde die Raserei ihres Bruders unheimlich. »Genug jetzt, Richard!«, rief sie. Richard hörte nicht auf sie und holte aus, um Alfred zu treten. In diesem Augenblick fiel Alfred ein, dass er noch immer den Dolch in der Hand hielt. Er wich dem Tritt aus, war im Nu wieder auf den Füßen und ging mit dem Messer auf Richard los. Der Graf hatte damit nicht gerechnet und sprang zurück. Alfred setzte sofort nach und trieb ihn vor sich her. Die beiden Männer waren ungefähr gleich groß und gleich stark.

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