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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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älter man wird, desto schneller vergehen die Jahre«, sagte sie. »Ich glaube …« Sie brach mitten im Satz ab und blieb stehen.
    »Was ist los?«, fragte Aliena.
    Ellen spähte durch den Torbogen am Klostereingang. Die Holztore waren geöffnet. Die Straße vor ihnen war leer – bis auf ein paar Kinder, die dicht gedrängt beieinanderstanden und irgendetwas anstarrten, was von außen nicht zu sehen war.
    »Richard!«, rief Ellen in scharfem Ton. »Geh ja nicht raus!«
    Nun blieben auch die anderen stehen, und Aliena begriff, was Ellen so beunruhigte: Die Kinder sahen so aus, als beobachteten sie jemand, der, von der Klostermauer verborgen, gleich hinter dem Tor auf der Lauer lag.
    Richard reagierte schnell. »Eine Falle!«, sagte er. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte er sich um und lief davon.
    Einen Augenblick später schaute ein behelmter Kopf hinter dem Torpfosten hervor. Er gehörte zu einem groß gewachsenen Bewaffneten. Als der Mann sah, dass Richard auf die Kirche zulief, stieß er einen Alarmruf aus und jagte ihm nach. Drei, vier, fünf Männer sprangen auf und beteiligten sich an der Verfolgung.
    Die Trauergemeinde zerstob, doch die Bewaffneten waren nur an Richard interessiert. Aliena war furchtbar erschrocken und hatte keine Ahnung, was die Männer beabsichtigten: Wer konnte es wagen, den Grafen von Shiring am helllichten Tag anzugreifen – noch dazu auf dem Gelände eines Klosters? Mit angehaltenem Atem verfolgte sie die Jagd. Richard sprang über eine niedrige Mauer, an der die Steinmetzen gerade arbeiteten, und seine Verfolger setzten ihm nach, ungeachtet der Tatsache, dass sie eine Kirche betraten. Die Handwerker erstarrten in der Bewegung, die Kellen und Hämmer erhoben. Ein junger Lehrling begriff am schnellsten, worum es ging; er streckte eine Schaufel aus und brachte dadurch einen der Bewaffneten zu Fall. Von den anderen rührte keiner eine Hand. Richard erreichte die Tür zum Kreuzgang. Der Mann, der ihm am dichtesten auf den Fersen war, hob sein Schwert … Aliena durchzuckte ein entsetzlicher Schreck: Was ist, wenn die Tür verschlossen ist, dachte sie … Der Bewaffnete schlug zu. Im selben Augenblick riss Richard die Tür auf und schlüpfte hindurch. Das niederfahrende Schwert biss tief ins Holz der zuschlagenden Pforte.
    Aliena atmete auf.
    Die Bewaffneten versammelten sich vor der Tür zum Kreuzgang. Sie waren sich über ihr weiteres Vorgehen offensichtlich unschlüssig und schienen erst jetzt zu merken, wo sie sich befanden. Die Maurer und Steinmetzen starrten sie feindselig an und ergriffen Hämmer und Äxte. Den fünf Bewaffneten standen fast hundert Handwerker gegenüber.
    »Wer, zum Teufel, sind diese Kerle?«, stieß Jack hervor.
    Eine Stimme hinter ihm antwortete: »Es sind die Männer des Vogts.«
    Entsetzt fuhr Aliena herum. Die Stimme war ihr nur allzu bekannt. Vor dem Tor, auf einem unruhigen schwarzen Hengst, saß William Hamleigh. Er trug ein Kettenhemd. Sein Anblick jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
    »Verschwinde, du abscheuliches Geschmeiß!«, rief Jack.
    Die Beleidigung trieb William die Zornesröte ins Gesicht, doch rührte er sich nicht von der Stelle. »Ich habe einen Haftbefehl zu vollstrecken.«
    »Na dann los – Richards Männer werden dich in Stücke reißen!«
    »Sobald er im Verlies hockt, hat er keine Männer mehr.«
    »Für wen hältst du dich eigentlich? Ein Vogt hat überhaupt nicht das Recht, einen Grafen zu verhaften.«
    »Wenn er einen Mord begangen hat, schon.«
    Aliena rang nach Luft. Jetzt durchschaute sie Williams teuflischen Plan. »Das war kein Mord!«, rief sie aus.
    »Selbstverständlich war es Mord«, erwiderte William. »Graf Richard hat Alfred Builder ermordet. Und ich muss Prior Philip nun erklären, dass er einem Mörder Unterschlupf gewährt.«
    William trat seinem Pferd in die Flanken und ritt an ihnen vorbei zum Küchenhof, wo die weltlichen Besucher des Klosters empfangen wurden.
    Aliena sah ihm fassungslos nach. Williams Tücke war kaum zu glauben. Was war schon der arme Alfred, den sie gerade beerdigt hatten, in all seiner Beschränktheit und fast schon tragischen Charakterschwäche gegen diesen Diener des Satans? Wann werden wir dieses Ungeheuer endlich los, dachte sie.
    Im Küchenhof schlossen sich die Bewaffneten William an. Einer von ihnen hämmerte mit dem Schwertknauf gegen die Küchentür. Die Handwerker hatten die Baustelle verlassen und versammelten sich in angemessener Entfernung um die

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