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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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hatte, bestand sie darauf, dass er in der Nähe begraben wurde, um ab und zu sein Grab aufsuchen zu können. Als der Sarg in die Grube gelassen wurde, weinte außer Martha niemand.
    Jack nahm die Nachricht von Alfreds Tod mit finsterer Erleichterung auf. Tommy stand neben Aliena und war furchtbar neugierig: Es war das erste Familienbegräbnis, an dem er teilnahm, und er kannte die Rituale des Todes noch nicht. Sally war blass und klammerte sich angstvoll an die Hand ihrer Mutter.
    Auch Richard war anwesend. Während des Gottesdienstes sagte er zu Aliena, er sei gekommen, um Gott um Vergebung zu bitten. Er beeilte sich hinzuzufügen, dass er nach wie vor nicht glaube, unrecht gehandelt zu haben, aber sicher sei sicher …
    Aliena, deren Gesicht von Alfreds letztem Schlag noch ganz verschwollen war, rief sich ihre erste Begegnung mit dem Getöteten ins Gedächtnis: Er war in Begleitung seines Vaters, Tom Builder, Marthas und Jacks auf Earlscastle erschienen. Schon damals war Alfred der Raufbold der Familie gewesen – groß und stark wie ein Ochse, verschlagen und boshaft. Hätte Aliena damals jemand vorausgesagt, dass sie eines Tages seine Ehefrau werden würde, so wäre sie wohl versucht gewesen, sich aus Verzweiflung von den Zinnen zu stürzen. Als die Familie die Burg verließ, rechnete Aliena nicht damit, sie jemals wiederzusehen – doch das Schicksal hatte es gefügt, dass Tom und seine Familie später ebenso wie sie selbst nach Kingsbridge verschlagen wurden. Gemeinsam mit Alfred hatte sie die Kirchengilde gegründet, die inzwischen eine so bedeutende Rolle im Leben der Gemeinde spielte. Dann hatte Alfred ihr einen Heiratsantrag gemacht. Nicht im Traum wäre es Aliena damals eingefallen, dass er sie nicht begehrte, sondern nur seinem verhassten Stiefbruder eins auswischen wollte. Trotzdem hatte sie seinen Antrag zurückgewiesen – bis es ihm dann mit dem Versprechen, Richard finanziell zu unterstützen, doch gelungen war, sie umzustimmen. Rückblickend, dachte Aliena, geschah es ihm nur recht, dass unsere Ehe ein solch entwürdigendes Debakel für ihn war. Seine Motive waren herzlos, sein Lohn ein Leben ohne Liebe.
    Aliena war glücklich über Alfreds Tod, sie konnte es gar nicht verhehlen. Von dem geplanten Umzug nach Winchester war nun natürlich keine Rede mehr – vielmehr wollten Jack und sie so bald wie möglich heiraten. Zum Begräbnis setzte sie eine ernste und feierliche Miene auf, hatte wohl auch ein paar ernste und feierliche Gedanken – doch das Herz wollte ihr schier übergehen vor Freude.
    Philip hatte sich bereit erklärt, Alfred zu bestatten, und damit einmal mehr seine anscheinend unerschöpfliche Nachsicht gegenüber Leuten unter Beweis gestellt, von denen er verraten und verkauft worden war.
    Die fünf Erwachsenen und zwei Kinder standen noch am offenen Grab, als unvermittelt Ellen auftauchte.
    Philip war alles andere als erbaut. Ellen hatte eine christliche Hochzeit verflucht und war seither auf dem Klostergelände unerwünscht. Andererseits konnte er ihr die Teilnahme am Begräbnis ihres Stiefsohns kaum verweigern. Da aber die Zeremonie ohnehin beendet war, drehte er sich einfach um und ging.
    Aliena war sehr betrübt darüber, dass Philip und Ellen so verfeindet waren. Beide waren sie, jeder auf seine Weise, sehr gute Menschen, doch vertraten sie mit Überzeugung (und wenig Toleranz) vollkommen gegensätzliche moralische Vorstellungen.
    Ellen war sichtlich gealtert: Sie hatte mehr Falten als früher, und in ihr Haar mischte sich mehr Grau, doch ihre goldenen Augen waren unverändert schön. Außer einer grob genähten Ledertunika trug sie nichts am Leibe, nicht einmal Schuhe. Arme und Beine waren sonnengebräunt und muskulös. Tommy und Sally rannten sogleich auf sie zu und busselten sie ab. Jack folgte ihnen und schloss sie herzhaft in die Arme.
    Dann hob sie Richard die Wange zum Kuss entgegen. »Du hast recht gehandelt«, sagte sie. »Mach dir keine Vorwürfe.« Vor dem offenen Grab blieb sie stehen und sah hinein. »Ich war seine Stiefmutter und hätte ihn gerne glücklich gemacht. Aber wie?«
    Als sie sich vom Grab abwendete, nahm Aliena sie in die Arme. »Bleibst du zum Essen bei uns?«, fragte sie.
    »Gerne.« Ellen fuhr mit der Hand durch Tommys roten Schopf. »Ich möchte mal wieder mit meinen Enkeln sprechen. Sie werden ja so schnell groß. Als mir Tom Builder zum ersten Mal begegnete, war Jack so alt wie Tommy heute!« Sie näherten sich dem Tor des Klosterbezirks. »Je

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