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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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werde ich handeln – und zwar entschieden.
    Doch dann kam alles ganz anders.
    Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, als er am zweiten Tage die Lichtung erreichte. Er zügelte sein Pony und betrachtete seine neue Heimat. Es gab damals nur ein Steinhaus und die Kapelle (das ebenfalls steinerne Dormitorium ließ Philip erst ein Jahr später errichten). Die aus Holz gezimmerten Hütten und Scheunen wirkten baufällig und heruntergekommen. Philip gefiel das nicht: Was Mönche errichteten, sollte von Dauer sein – gleichgültig, ob es sich um Schweinekoben oder Kathedralen handelte. Er sah sich um und entdeckte weitere Belege für jene Nachlässigkeit, die ihn bereits in Kingsbridge entsetzt hatte: Es gab keine Zäune, aus einem Scheunentor quoll das Heu heraus, und gleich neben einem Fischteich dampfte ein Misthaufen. Er spürte, wie sich seine Gesichtsmuskeln vor unterdrückter Wut spannten, und er flüsterte sich zu: »Bleib ruhig, bleib bloß ruhig!«
    Kein Mensch war zu sehen. Das hatte durchaus seine Ordnung, denn es war die Zeit der Vesper. Die meisten Mönche befanden sich demnach in der Kapelle. Philip versetzte seinem Pony einen leichten Peitschenhieb in die Flanke und ritt auf eine Hütte zu, die wie ein Stall aussah. Ein junger Bursche mit Stroh in den Haaren linste über die Tür und glotzte Philip mit leerem Blick an.
    »Wie heißt du?«, fragte Philip und fügte nach einem Moment der Verlegenheit hinzu: »Mein Sohn.«
    »Man nennt mich Johnny Eightpence«, sagte der Bursche.
    Philip saß ab und überließ dem Jungen die Zügel. »Wohlan, Johnny Eightpence, du kannst mein Pferd absatteln.«
    »Jawohl, Vater.« Johnny schlang die Zügel um einen vorstehenden Balken und entfernte sich.
    »He, wo willst du hin?«, rief Philip ihm in scharfem Ton nach.
    »Ich will den Brüdern sagen, dass ein Fremder gekommen ist.«
    »Du wirst dich zunächst in Gehorsam üben, Johnny. Sattle jetzt mein Pferd ab. Ich werde die Brüder selbst über meine Ankunft unterrichten.«
    »Jawohl, Vater.« Eingeschüchtert kehrte Johnny zurück und tat wie ihm geheißen.
    Philip sah sich um. In der Mitte der Lichtung befand sich ein Gebäude, das wie eine lange Halle aussah. Nicht weit davon entfernt stand ein kleines rundes Gebäude mit einem Loch auf dem Dach, dem Rauch entwich; es handelte sich höchstwahrscheinlich um die Küche. Philip wollte wissen, was es zum Abendessen gab. In streng geführten Klöstern gab es nur eine Mahlzeit am Tag, das Mittagessen. Hier herrschten jedoch ganz offensichtlich weniger strenge Sitten, und so gab es vermutlich nach dem Abendgebet noch ein leichtes Mahl – Brot mit Käse oder gesalzenem Fisch, vielleicht auch eine Schüssel Gerstengrütze mit Kräutern. Als Philip sich jedoch der Küche näherte, stieg ihm unverwechselbarer Bratengeruch in die Nase und ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen. Er blieb stehen und runzelte die Stirn, dann betrat er das kleine Gebäude.
    Zwei Mönche und ein Knabe saßen um den Herd, der mitten im Raum aufgestellt war. Philip sah, wie einer der beiden Mönche seinem Mitbruder einen Krug reichte, den dieser sofort an die Lippen setzte. Der Junge drehte einen Spieß über dem Feuer, und auf dem Spieß steckte ein kleines Schwein.
    Als Philip ins Licht trat, blickten die drei überrascht auf. Ohne ein Wort zu sagen, nahm er dem Mönch den Krug aus der Hand und roch daran.
    »Warum trinkt Ihr Wein?«
    »Weil er das Herz stärkt, Fremder«, erwiderte der Mönch. »Na los, koste ihn. Tu einen langen Zug!«
    Niemand, so viel stand fest, hatte sie vor dem Eintreffen des neuen Priors gewarnt. Und vor den Berichten, die ein zufällig des Weges kommender Mönch nach Kingsbridge bringen würde, fürchteten sie sich offenbar auch nicht. Philip verspürte den Drang, dem Mann den Weinkrug über den Schädel zu schlagen. Doch er beherrschte sich, holte tief Luft und sagte mit sanfter Stimme: »Die Kinder der Armen hungern, damit wir genügend Fleisch und Wein bekommen«, sagte er. »Dies geschieht indessen zur höheren Ehre Gottes – und nicht dazu, uns in bessere Stimmung zu versetzen. Für heute habt Ihr genug Wein getrunken.« Den Krug noch immer in der Hand, wandte er sich zum Gehen.
    Auf dem Weg zur Tür hörte er, wie einer der Mönche hinter ihm herrief: »Für wen haltet Ihr Euch eigentlich?« Philip gab darauf keine Antwort. Sie würden es noch früh genug erfahren.
    Er stellte den Krug vor der Küche auf dem Erdboden ab und begab sich als Nächstes zur

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