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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Strich kam nicht viel dabei heraus. Das Geld half uns ein bisschen weiter, das schon. Aber Prior James hatte seine Selbstachtung unwiederbringlich verloren.«
    Bei diesen Worten fiel Philip die gebeugte, resignierte Haltung des alten Priors wieder ein. Jetzt endlich wusste er, woher sie rührte.
    »James’ Schwur war streng genommen kein Meineid, denn er hatte lediglich gesagt, dass der Kelch vormals der Priorei gehört hatte. Aber er hat geschwiegen, obwohl er wusste, dass Jack Shareburg unschuldig war. Darüber ist er bis an sein Lebensende nicht hinweggekommen.«
    Das kann ich mir vorstellen, dachte Philip. Remigius’ Aussage bestätigte Ellens Geschichte – und verurteilte Waleran.
    Der alte Mönch war noch nicht fertig. »Ein paar von den Älteren hier in der Runde werden sich daran erinnern, in was für einem Zustand sich die Priorei vor vierzig Jahren befand: Sie hatte schlichtweg abgewirtschaftet. Es fehlte an Geld und moralischer Kraft. Mit ein Grund dafür war die schwere Last der Schuld, an der der Prior trug. Auf dem Sterbebett vertraute er mir seine Sünde an. Ich wollte …« Remigius stockte. Niemand sprach ein Wort, alle warteten. Der alte Mann seufzte und sprach weiter. »Ich wollte sein Amt übernehmen und den Schaden wiedergutmachen. Aber Gott hatte für diese Aufgabe einen anderen Mann ausersehen.« Wieder hielt er inne. Der nächste Satz kostete ihn sichtlich Überwindung, und sein altes Gesicht wirkte zerquält: »Ich muss wohl sagen: Gott wählte den besseren Mann.« Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen.
    Philip war gleichermaßen erschrocken, verwirrt und dankbar. Zwei alte Widersacher – Ellen und Remigius – hatten ihn gerettet.
    Bischof Waleran war fahl vor Wut. Er beugte sich zu Peter hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Die ganze Kirche summte vom aufgeregten Geraune der Zuhörer.
    Peter von Wareham erhob sich und rief: »Silentium!« Es herrschte sofort Stille. »Die Verhandlung ist beendet!«
    »Einen Augenblick noch!« Es war Jack Jackson. »Das genügt mir nicht!«, rief er leidenschaftlich. »Ich möchte wissen, warum! «
    Peter ignorierte Jacks Einwurf. Gefolgt von Waleran, schritt er auf die Tür zu, die zum Kreuzgang führte.
    Jack lief hinter ihnen her. » Warum hast du das getan?«, schrie er Waleran an. »Du hast mit einem Meineid einen Menschen an den Galgen gebracht – und jetzt willst du dich ohne ein Wort der Erklärung aus dem Staub machen?«
    Waleran stierte geradeaus, das Gesicht totenblass, die Lippen zusammengepresst, die Miene in stummer Rage erstarrt. Als er durch die Tür ging, brüllte Jack: »Antworte mir, du nichtswürdiger, korrupter, feiger Lügner! Warum hast du meinen Vater ermordet?«
    Waleran hatte die Kirche verlassen. Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

Kapitel XVIII
    Der Brief von König Heinrich traf während der Kapitelversammlung der Mönche ein.
    Jack hatte ein großes neues Kapitelhaus errichtet, das allen einhundertfünfzig frommen Brüdern Platz bot. In keinem anderen Kloster Englands gab es so viele Mönche wie in Kingsbridge. Der Rundbau hatte ein steinernes Gewölbe und war mit treppenartigen steinernen Sitzreihen ausgestattet. Die Amtsträger saßen auf Steinbänken an der Wand, ein wenig höher als die anderen Mönche; für Philip und Jonathan waren gemeißelte Steinthrone an der Wand gegenüber dem Eingang reserviert.
    Ein junger Mönch trug das siebte Kapitel aus der Regel des heiligen Benedikt vor: »Die sechste Stufe der Demut ist erreicht, wenn ein Mönch sich mit allem zufriedengibt, das niedrig ist und gering …« Philip musste sich eingestehen, dass er den Namen des Vortragenden nicht kannte. Kommt das daher, dass ich alt werde – oder ist das Kloster zu groß, fragte er sich. – »Die siebte Stufe der Demut ist erreicht, wenn ein Mann nicht nur mit eigener Zunge bekennt, dass er der Geringste ist und niedriger steht als alle anderen, sondern wenn er auch in der Tiefe seines Herzens daran glaubt.« Philip wusste, dass er diese Stufe der Demut noch nicht erreicht hatte. Er hatte eine Menge erreicht in seinen zweiundsechzig Lebensjahren, mit Mut, Entschlossenheit und Intelligenz, musste sich aber immer wieder selbst daran erinnern, dass dies nur mit Gottes Hilfe möglich gewesen war.
    Jonathan neben ihm rutschte unruhig auf seinem Sitz hin und her. Die Tugend der Demut bereitete ihm noch mehr Schwierigkeiten als Philip. Hochmut war die Achillesferse aller guten Menschenführer. Jonathan war bereit,

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