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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Günstling?«
    Philip sah sich um. Die Verhandlung fand im südlichen Querschiff der Kathedrale statt. Erzdiakon Peter thronte auf einem großen, mit reichem Schnitzwerk verzierten Sessel. Walerans Mitstreiter aus der Bischofskanzlei waren vollzählig versammelt. Auch die meisten Mönche von Kingsbridge waren zugegen – während des Verfahrens gegen den Prior blieb somit eine Menge Arbeit liegen. Alle Kleriker von Rang aus der Grafschaft waren gekommen, und sogar einige kleine Dorfpriester hatten sich eingefunden. Benachbarte Diözesen hatten ihre Beobachter entsandt. Die gesamte Kirchengemeinde Südenglands erwartete mit Spannung das Urteil des Gerichts. Philips Tugend oder Untugend interessierte dabei nur am Rande: Man sah in dem Verfahren die letzte entscheidende Schlacht zwischen Prior Philip und Bischof Waleran.
    Nachdem Waleran wieder Platz genommen hatte, wurde Philip vereidigt und schilderte die Ereignisse jenes so lange zurückliegenden Wintermorgens aus seiner Sicht. Er begann mit der Unruhe, die Peter von Wareham damals verursacht hatte: Alle sollten wissen, dass Peter gegen ihn voreingenommen war. Dann bat er Francis zu erzählen, wie er den Säugling gefunden hatte.
    Jonathan nahm an dieser Phase des Verfahrens nicht teil. Einer Nachricht zufolge, die er hinterlassen hatte, war er neuen Erkenntnissen über seine Herkunft auf der Spur. Da auch Jack verschwunden war, schloss Philip, es müsse etwas mit dessen Mutter, der Hexe Ellen, zu tun haben. Wahrscheinlich, so dachte er, hat Jonathan befürchtet, ich könnte ihm verbieten, diese Person aufzusuchen. Die beiden hätten eigentlich am Morgen zurückkehren sollen, waren aber bislang noch nicht eingetroffen. Dass Ellen Francis’ Bericht noch Wesentliches hinzufügen könnte, damit rechnete der Prior nicht.
    Nachdem Francis seine Aussage beendet hatte, ergriff wieder Philip das Wort. »Das Kind war nicht von mir«, sagte er schlicht. »Ich schwöre es bei der Unsterblichkeit meiner Seele. Nie habe ich geschlechtlichen Umgang mit einem Weib gehabt. Bis auf den heutigen Tag lebe ich in jenem Zustand der Keuschheit, den uns der Apostel Paulus anempfiehlt. Nun fragt aber unser hochverehrter Herr Bischof, warum ich diesen Knaben wie meinen eigenen Sohn behandelt habe …« Er sah sich im Kreis der Zuhörer um. Philip war zu dem Schluss gekommen, dass er nur eine einzige Chance hatte: Er musste die reine, unverfälschte Wahrheit sagen und darauf hoffen, dass Gottes Stimme laut genug war, um Peters spirituelle Taubheit zu überwinden. »Als ich sechs Jahre alt war«, begann er, »starben meine Eltern. Sie wurden von Soldaten des alten Königs Heinrich getötet, in Wales. Mir und meinem Bruder rettete der Abt eines nahe gelegenen Klosters das Leben, und von jenem Tag an wuchs ich unter der Obhut der Mönche auf. Ich war ein Klostermündel. Ich weiß daher, was es bedeutet. Ich weiß, wie sehr sich ein Waisenknabe nach der tröstenden Hand der Mutter sehnt, selbst wenn er die Brüder liebt, die sich um ihn kümmern. Ich wusste von Anfang an, dass Jonathan sich als Außenseiter, Sonderling und Wechselbalg fühlen würde, denn ich hatte es ja am eigenen Leibe erfahren, wie es ist, wenn alle anderen Eltern haben, nur man selber nicht. Wie ihm war es auch mir ein Gräuel, von der Mildtätigkeit anderer abhängig zu sein, ihnen zur Last zu fallen. Immer wieder habe ich mich gefragt, warum mir das versagt wurde, was für meine Altersgenossen selbstverständlich war. Ich wusste, dass auch Jonathan des Nachts vom warmen, duftenden Busen und der weichen Stimme einer Mutter träumte, die er nie gekannt hat – von einem Menschen, der ihn von ganzem Herzen liebt und nur für ihn da ist.«
    Erzdiakon Peters Miene war wie versteinert. Er gehört zur allerschlimmsten Erscheinungsform des Christenmenschen, dachte Philip. Überall pickt er sich nur das Negative heraus, denkt immer nur an Verbote und wie er sie durchsetzen kann, fordert bei jedem Delikt die schärfste Strafe … Er ignoriert das christliche Erbarmen und die Gnade, er missachtet in flagranter Weise die Ethik der Liebe und verhöhnt in aller Offenheit die gütigen Gesetze Jesu. So wie er waren einst die Pharisäer. Kein Wunder, dass der Herr es vorzog, mit den Zöllnern und Sündern zu speisen …
    Dann fuhr er fort, obwohl ihm jetzt klar war, dass er sagen konnte, was er wollte: Keines seiner Worte wäre imstande, den Panzer von Peters Selbstgerechtigkeit zu durchdringen. »Niemand, von seinen leiblichen Eltern

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