Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
um eine unmittelbare Einmischung in die Angelegenheiten des Hofes – und das war ein Spiel, dem oft genug schon die erfahrensten Köpfe zum Opfer gefallen waren. Wer sich als Außenseiter in diese Dinge einmischte, war ein Narr.
Andererseits: Es stand eine Menge auf dem Spiel. Philip konnte nicht einfach die Hände in den Schoß legen und mit ansehen, wie ein von der Kirche ausgewählter Monarch durch eine Rebellion gestürzt wurde – nicht jedenfalls, solange ihm Mittel und Wege offenstanden, es zu verhindern. Und so gefährlich die Aufdeckung des Komplotts für ihn auch sein mochte – für Francis wäre es reiner Selbstmord.
»Was haben die Rebellen vor?«, fragte Philip.
»Graf Bartholomäus befindet sich gegenwärtig auf der Rückreise nach Shiring. Von dort aus wird er Botschaften an seine Anhänger im Süden Englands aussenden. Graf Robert wird ein oder zwei Tage später nach Gloucester zurückkehren und seine Anhänger im Westen des Landes mobilisieren. Zuletzt wird Brian Fitzcount, der Herr von Wallingford Castle, seine Tore schließen, sodass der gesamte Südwesten Englands kampflos in Rebellenhand fällt.«
»Dann ist es ja fast schon zu spät«, wandte Philip ein.
»Noch nicht ganz. Es bleibt uns ungefähr noch eine Woche. Allerdings darfst du nicht mehr lange zögern.«
Philip gestand sich resigniert ein, dass er seine Entscheidung bereits so gut wie getroffen hatte. »Ich weiß nicht, wem ich es sagen soll«, antwortete er. »Üblicherweise würde man derartige Dinge mit dem Grafen besprechen – aber in diesem Fall geht das natürlich nicht. Der Vogt steht wahrscheinlich auf seiner Seite. Kennst du jemanden, der garantiert auf unserer Seite steht?«
»Wie wär’s mit dem Prior von Kingsbridge?«
»Mein Vorgesetzter ist alt und müde. Er würde wahrscheinlich in Untätigkeit verharren.«
»Dann müssen wir jemand anderen finden.«
»Da wäre zum Beispiel noch der Bischof …« Philip hatte mit dem Bischof von Kingsbridge bislang noch kein einziges Wort gewechselt, war sich jedoch sicher, bei ihm vorgelassen zu werden und Gehör zu finden. Da sich die Kirche für König Stephan entschieden hatte, stand der Bischof gleichsam von Amts wegen auf seiner Seite. Außerdem war er mächtig genug, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
»Wo lebt der Bischof?«, fragte Francis.
»Anderthalb Tagereisen von hier.«
»Dann machst du dich am besten noch heute auf den Weg.«
»Gewiss«, erwiderte Philip schweren Herzens.
Bedauern spiegelte sich in Francis’ Miene. »Ich wünschte, es hätte einen anderen getroffen«, sagte er.
»Ich auch«, gab Philip aus vollem Herzen zurück. »Ich auch.«
Philip rief die Mönche in der kleinen Kapelle zusammen und berichtete ihnen vom Tod des Königs. »Beten wir nun für eine friedliche Nachfolge und dafür, dass der neue König die Kirche mehr lieben möge als der verstorbene König Heinrich«, sagte er. Doch er verschwieg ihnen, dass der Schlüssel für eine friedliche Thronfolge auf seltsamem Weg in seine Hand geraten war. Statt dessen verkündete er: »Andere Botschaft, die ich erhielt, erfordert meine sofortige Abreise zu unserem Mutterhaus nach Kingsbridge.«
Der Subprior sollte während seiner Abwesenheit die Chorgebete lesen, dem Cellerar oblag die Verantwortung für die Landwirtschaft. Keiner von beiden war jedoch imstande, es mit Peter von Wareham aufzunehmen. Wenn ich zu lange fortbleibe, dachte Philip, stellt Peter das ganze Kloster auf den Kopf … Gut möglich, dass es dann bei meiner Rückkehr gar kein Kloster mehr gibt. Er hatte bisher noch keine Antwort auf die Frage gefunden, wie sich Peter im Zaum halten ließ, ohne dass seine Selbstschätzung darunter litt. Jetzt musste alles plötzlich ganz schnell gehen, und so blieb Philip nichts anderes übrig, als sich eine Notlösung einfallen zu lassen.
»Wir sprachen heute Vormittag über die Völlerei«, sagte er nach einer Pause. »Bruder Peter verdient unser aller Dank, weil er uns daran erinnerte, dass Gott der Herr unsere Äcker gesegnet und uns Wohlstand geschenkt hat – und dies, wohlgemerkt, nicht, damit wir nun feist und bequem werden, sondern allein zu seinem höheren Ruhm. Zu unseren heiligen Pflichten gehört es, unsere Reichtümer mit den Armen zu teilen. Wir haben diese Pflicht bislang vernachlässigt, vor allem deshalb, weil es hier draußen im Wald niemanden gibt, mit dem wir teilen könnten. Bruder Peter hat uns jedoch darauf hingewiesen, dass es unsere Pflicht ist,
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