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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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hinauszugehen und die Armen zu suchen, denn nur so können wir ihnen helfen.«
    Die Mönche waren überrascht, denn sie waren doch davon ausgegangen, das Thema Völlerei sei am Vormittag erschöpfend behandelt worden. Peter von Wareham wirkte unsicher. Es gefiel ihm, dass er auf einmal wieder im Mittelpunkt des Interesses stand, doch argwöhnte er, dass Philip noch eine weitere Überraschung im Ärmel hatte. Seine Ahnung trog ihn nicht.
    »Ich habe beschlossen«, fuhr Philip fort, »dass wir fortan jede Woche einen Penny pro Mitbruder für die Armen zurücklegen. Sollten wir dadurch ein bisschen weniger zu essen haben, so werden wir diese Einschränkung freudig hinnehmen, wird sie uns doch dereinst im Himmel vergolten. Noch wichtiger jedoch ist, dass wir auf die sinnvolle Verwendung unserer Pennys achten. Gibt man einem armen Mann einen Penny, damit er für sich und seine Familie Brot kaufen kann, so mag es durchaus geschehen, dass er schnurstracks zur Schenke läuft, sich betrinkt und schließlich nach Hause zurückkehrt, um sein Weib zu schlagen. Die gute Frau wäre ohne unsere milde Gabe besser gefahren. Es ist also ratsam, dem Armen – oder besser gleich seinen Kindern – Brot zu geben. Das Verteilen von Almosen ist eine heilige Aufgabe, der wir uns mit der gleichen Sorgfalt widmen müssen wie der Heilkunst und der Erziehung der Jugend. In vielen Klöstern gibt es daher einen eigens zu diesem Zweck bestallten Almosenier, und so werden auch wir es in Zukunft halten.«
    Philip sah sich in der Runde um. Die Mönche hörten ihm mit gespannter Aufmerksamkeit zu. Peter blickte recht zufrieden drein; er sah inzwischen in Philips Ausführungen einen persönlichen Sieg. Mit dem, was nun folgte, hatte niemand gerechnet.
    »Die Aufgabe des Almoseniers ist alles andere als einfach. Er wird sich in den umliegenden Dörfern und Städten umtun müssen, vor allem in Winchester. Dort wird er sich unter das niedrigste Volk, die gemeinsten, hässlichsten und übelsten Menschen zu begeben haben, denn sie sind die Armen in unserem Land. Er muss für sie beten, wenn sie Gott lästern, muss die Kranken unter ihnen besuchen und allen vergeben, die ihn betrügen und berauben. Er wird Kraft, Demut und unendliche Geduld brauchen, und die Geborgenheit unserer Gemeinschaft wird ihm fehlen, denn er wird öfter unterwegs als hier sein.«
    Wieder sah Philip in die Runde. Jetzt war allen Mönchen unbehaglich zumute. Keiner von ihnen strebte nach diesem Amt. Er ließ seinen Blick auf Peter von Wareham ruhen. Peter wusste jetzt, was auf ihn zukam, und machte ein langes Gesicht.
    »Peter war es, der uns auf unsere Unzulänglichkeiten hinwies«, fuhr Philip schließlich mit gemessenen Worten fort. »Ich habe daher beschlossen, ihn mit der ehrenvollen Aufgabe des Almoseniers zu betrauen.« Er lächelte. »Bruder Peter, dein Dienst beginnt mit dem heutigen Tag.«
    Du wirst so oft unterwegs sein, dass du hier im Kloster kaum noch Unruhe stiften kannst, dachte Philip bei sich, und dein Zorn auf unser beschauliches Leben wird sich mäßigen, je öfter du dich in den stinkenden Gassen von Winchester unter den Abschaum des Menschengeschlechts mischen musst.
    Peter sah in seiner Ernennung zum Almosenier eindeutig eine Bestrafung, sonst nichts. Der hasserfüllte Blick, mit dem er Philip bedachte, ließ den Prior fast verzagen.
    Philip riss den Blick von seinem Widersacher los und widmete sich wieder den anderen. »Nach dem Tode eines Königs folgt stets eine Zeit der Gefahr und Ungewissheit«, sagte er. »Betet in meiner Abwesenheit für mich.«
    +++
    Am zweiten Tag seiner Reise, gegen Mittag, befand sich Prior Philip nur mehr wenige Meilen vom bischöflichen Palast entfernt. Je näher er kam, desto mulmiger ward ihm zumute. Der Bischof würde wissen wollen, woher die Nachricht von dem geplanten Aufstand stammte, und Philip hatte sich auch schon eine halbwegs plausible Geschichte ausgedacht. Nur – was sollte er tun, wenn der Bischof ihm diese Geschichte nicht abnahm? Was, wenn er ihm zwar glaubte, aber Beweise sehen wollte? Und wenn es auch kaum wahrscheinlich war, so ließ es sich doch nicht ganz ausschließen, dass der Bischof in die Verschwörung eingeweiht war und sie sogar unterstützte (auf diese Möglichkeit war Philip erst gekommen, nachdem Francis sich verabschiedet hatte). Vielleicht war er ein alter Freund des Grafen von Shiring. Dass Bischöfe ihre eigenen Interessen über die der Kirche stellten, war durchaus nichts Ungewöhnliches.
    Der

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