Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
einem König Stephan stets beachtet und gewahrt blieben.«
Philip war beeindruckt. Stephans Verhältnis zur Kirche war gleich zu Beginn seiner Herrschaft klar umrissen – und zwar nach Bedingungen, die die Kirche gestellt hatte. Das Wichtigste daran mochte jedoch der Präzedenzfall sein: Zwar war die Krönung der Könige schon vorher Aufgabe der Kirche gewesen, doch nie zuvor hatte sie Bedingungen stellen können. Eines nicht allzu fernen Tages mochte es sogar so weit kommen, dass kein König mehr ohne vorherige Absprache mit der Kirche die Macht ergreifen konnte. »Das kann für uns von großer Bedeutung sein«, sagte Philip.
»Es ist natürlich möglich, dass Stephan sich nicht an sein Versprechen hält«, erwiderte Francis. »Doch du hast auf jeden Fall recht: So wie sein Vorgänger Heinrich wird er mit der Kirche niemals umspringen können. Es besteht indessen eine andere Gefahr. Zwei Barone waren über Stephans Vorgehen aufs Höchste entrüstet. Der eine von ihnen ist Bartholomäus, Graf von Shiring.«
»Ich kenne ihn. Er lebt nur eine Tagesreise entfernt von hier und gilt als ein gottesfürchtiger Mann.«
»Das mag schon sein. Ich weiß nur, dass er ein selbstgerechter, starrsinniger Baron ist, der trotz der versprochenen Generalamnestie nie von seinem Treueid auf Mathilde abrücken wird.«
»Und wer ist der andere Gegner von Stephan?«
»Graf Robert von Gloucester, mein Herr. Ich habe dir ja schon von seinem Ehrgeiz berichtet. Er quält sich ständig mit dem Gedanken, dass er – wäre er nur legitim geboren – längst die Krone trüge. Er möchte seine Halbschwester Mathilde auf dem Thron sehen, denn er glaubt, sie wäre von seinem Rat und Beistand abhängig. Damit wäre er dann de facto König, wenngleich nicht dem Namen nach.«
»Wird Graf Robert konkrete Schritte in dieser Richtung unternehmen?«
»Ich fürchte ja.« Francis senkte die Stimme, obwohl niemand in ihrer Nähe war. »Robert und Bartholomäus planen gemeinsam mit Mathilde und ihrem Gemahl einen Aufstand, der Stephan stürzen und Mathilde an seiner statt auf den Thron setzen soll.«
Philip blieb stehen. »Das würde ja alle Errungenschaften des Bischofs von Winchester zunichte machen!«, rief er und packte seinen Bruder am Arm. »Aber, Francis …«
»Ich weiß, woran du denkst.« Alle Anmaßung war von Francis abgefallen; aus seinem Blick sprach nackte Angst. »Wenn Graf Robert erfährt, dass ich mit dir über seine Pläne gesprochen habe, lässt er mich sofort aufhängen. Er vertraut mir voll und ganz – doch ich bin in letzter Instanz der Kirche verpflichtet, ich kann nicht anders.«
»Was willst du tun?«
»Ich dachte daran, mich um eine Audienz beim neuen König zu bemühen und ihm alles zu erzählen. Die beiden rebellischen Grafen würden natürlich alles abstreiten, und ich würde als Verräter gehenkt. Der Aufstand indessen wäre verhindert – und ich käme sogleich in den Himmel.«
Philip schüttelte den Kopf. »Man hat uns gelehrt, dass es eitel ist, das Martyrium zu suchen.«
»Ich weiß. Und außerdem glaube ich, dass Gott hier auf Erden auch noch einige Aufgaben für mich bereithält. Ich habe eine Vertrauensstellung am Hofe eines einflussreichen Barons, und wenn ich bei ihm bleibe und meine Position durch harte Arbeit festige, so werde ich dort für die Rechte der Kirche und die Herrschaft des Gesetzes einiges tun können.«
»Gibt es irgendeine andere Möglichkeit …?«
Francis sah Philip in die Augen. »Ja. Und darum bin ich hier.«
Ein Angstschauer lief Philip über den Rücken. Francis war gekommen, ihn um Unterstützung zu bitten, andernfalls hätte er ihn nie in dieses furchtbare Geheimnis eingeweiht.
»Ich kann den Aufstand nicht verraten«, fuhr Francis fort. »Du hingegen kannst es.«
»Jesus Christus und alle Heiligen, steht mir bei!«, entfuhr es Philip.
»Wenn der Plan hier unten im Süden enthüllt wird, bleibt das Haus Gloucester von jedem Verdacht verschont. Niemand weiß, dass ich hier war, und dass wir Brüder sind, weiß auch kaum einer. Du findest sicher eine glaubwürdige Erklärung für deine Informationen. Vielleicht hast du gesehen, wie sich ein Haufen Bewaffneter zusammenrottet. Oder ein Mitglied des Haushalts von Graf Bartholomäus hat einem dir bekannten Priester während der Beichte das Geheimnis anvertraut.«
Philip zog die Kutte fester um sich. Ihn schauerte. War es urplötzlich kälter geworden? Francis zog ihn da in eine äußerst gefährliche Affäre hinein. Es ging
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