Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
bestehen können, dass Philip ihm seine Informationsquelle benannte. Der Erzdiakon hatte dazu nicht das Recht. Er würde sich also mit der Geschichte, die Philip ihm auftischte, zufriedengeben müssen – ob er sie nun glaubte oder nicht.
Wieder lächelte Waleran. »Wenn Ihr noch länger zögert, muss ich wohl annehmen, dass Ihr mir misstraut!«
Philip hatte Verständnis für den Erzdiakon. Waleran war ihm nicht unähnlich: Er war jung, gut ausgebildet und intelligent und stammte aus einfachen Verhältnissen. Für Philips Geschmack gab er sich ein wenig zu weltlich, doch war dies eine lässliche Sünde für einen Priester, dessen Amtspflichten einen regen Umgang mit Damen und Herren aus höheren Ständen erforderlich machten. Die Abgeschiedenheit des mönchischen Lebens, die auch einen gewissen Schutz bot, war ihm verwehrt. Im Herzen ist Waleran ein gottesfürchtiger Mann, sagte sich Philip. Er wird gewiss im Sinne der Kirche handeln.
Noch zögerte er. Bisher kannten nur Francis und er selbst das Geheimnis. Sobald ein Dritter eingeweiht wurde, war alles möglich. Er holte tief Luft.
»Vor drei Tagen kam ein verletzter Mann in mein Kloster«, begann er schließlich und leistete schweigend Abbitte für seine Lüge. »Er trug Waffen und ritt auf einem guten und schnellen Pferd. Ein oder zwei Meilen zuvor war er schwer gestürzt. Er muss recht schnell geritten sein, als es passierte, denn er hatte sich nicht nur den Arm, sondern auch einige Rippen gebrochen. Den Arm konnten wir wieder richten, was die Rippen betraf, waren wir jedoch hilflos. Zudem hustete er Blut, was auf innere Verletzungen hindeutete …« Philip beobachtete während seiner Rede aufmerksam Walerans Miene, die bislang allenfalls höfliches Interesse verriet. »Er war zweifellos in Lebensgefahr, weshalb ich ihm riet, seine Sünden zu bekennen. Und daraufhin vertraute er mir ein Geheimnis an.«
Philip zögerte, denn er wusste nicht, inwieweit Waleran über die neuesten politischen Entwicklungen informiert war. »Ich nehme an, Ihr wisst, dass Stephan von Blois mit dem Segen der Kirche Ansprüche auf den englischen Thron erhebt.«
Waleran wusste sogar mehr als Philip. »Er wurde drei Tage vor Weihnachten in Westminster gekrönt«, ergänzte er.
»Ach ja?« Das hatte selbst Francis noch nicht gewusst.
»Was war das für ein Geheimnis?«, fragte Waleran ungeduldig.
Philip nahm seinen Mut zusammen. »Kurz bevor er starb, sagte mir der Reiter, dass sein Herr, der Graf von Shiring, und Robert von Gloucester sich verschworen hätten, einen Aufstand gegen Stephan anzuzetteln.« Philip hielt den Atem an.
Walerans blasse Wangen erbleichten noch mehr. Er beugte sich im Sessel vor und fragte: »Glaubt Ihr, dass der Reiter die Wahrheit gesagt hat?«
»Sterbende pflegen ihrem Beichtvater gegenüber meistens die Wahrheit zu sagen.«
»Vielleicht hat er lediglich ein Gerücht wiedergegeben, das im gräflichen Haushalt herumschwirrte?«
Mit Skepsis vonseiten Walerans hatte Philip nicht gerechnet. »Oh, nein«, improvisierte er hastig. »Graf Bartholomäus hatte ihn ausgesandt, um seine Truppen in Hampshire zu alarmieren.«
Walerans kluge Augen prüften Philips Gesicht. »Führte er eine schriftliche Botschaft mit sich?«
»Nein.«
»Kein Siegel oder sonstiges Zeichen der gräflichen Autorität?«
»Nein, nichts.« Philip geriet ins Schwitzen. »Ich nehme an, er war bekannt genug bei den Leuten, die er aufsuchen sollte. Wahrscheinlich war er der offizielle Vertreter des Grafen.«
»Wie hieß er?«
»Francis«, entfuhr es Philip unwillkürlich. Schon im nächsten Augenblick hätte er sich deshalb am liebsten die Zunge abgebissen.
»Sonst nichts?«
»Einen anderen Namen hat er mir nicht genannt.« Philip hatte das Gefühl, Waleran zwinge ihn mit seinen gezielten Fragen zur Preisgabe aller Einzelheiten.
»Und seine Waffen und seine Rüstung? Ließen sie keinen Schluss auf seine Herkunft zu?«
»Eine Rüstung trug er nicht«, erwiderte Philip verzweifelt. »Wir haben ihn mit seinen Waffen beerdigt – Mönche haben keine Verwendung für das Schwert. Man könnte sie natürlich wieder ausgraben – doch ich kann Euch versichern, dass sie keinerlei besondere Kennzeichen trugen. Sie würden Euch mit Sicherheit nicht weiterhelfen …« Er musste Waleran irgendwie ablenken. »Was ist, Eurer Ansicht nach, zu tun?«
Waleran runzelte die Stirn. »Das ist schwer zu sagen, zumal uns echte Beweise fehlen. Die Verschwörer können einfach alles abstreiten –
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