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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ins Loch stecken und den Schlüssel fortwerfen. Eigentlich blieb nur noch der Vogt, der – zumindest in der Theorie – die Krone in der Grafschaft vertrat, wobei jedoch niemand voraussagen konnte, auf welche Seite er sich, solange die Thronfolge noch unklar war, schlagen würde. Wie dem auch sei, dachte Philip bei sich, letztlich werde ich das Risiko wohl eingehen müssen. Er sehnte sich bereits nach dem einfachen Leben im Kloster zurück, wo sein gefährlichster Feind Peter von Wareham war.
    Walerans Gäste waren verschwunden, die Tür wurde geschlossen, und das Pferdegetrappel unten im Hof verstummte. Waleran kehrte zum Kamin zurück und schob sich einen großen Sessel zurecht. Philip war so sehr mit seinem Problem beschäftigt, dass ihm an einem Gespräch mit dem Erzdiakon wenig lag. Andererseits fühlte er sich zu einem höflichen Auftreten verpflichtet. »Ich hoffe, Ihr habt Eure Unterredung nicht meinetwegen abgebrochen«, sagte er.
    Waleran machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es war ohnehin an der Zeit«, sagte er. »Diese Angelegenheiten ziehen sich immer ungebührlich in die Länge. Wir sprachen über die Verlängerung der Pachten für Diözesanland. Dergleichen könnte in wenigen Augenblicken geregelt werden, wenn die Beteiligten nur ein wenig mehr Entschlusskraft an den Tag legen wollten.« Er wedelte mit seiner knochigen Hand, als wolle er alle Pachten und Pächter ein für alle Mal aus seinem Gedächtnis vertreiben. »Wie ich höre, habt Ihr in jener kleinen Zelle im Wald gute Arbeit geleistet.«
    »Es überrascht mich, dass Ihr davon gehört habt«, antwortete Philip.
    »Der Bischof ist ex officio Abt von Kingsbridge. Es ist also seine Pflicht, daran Interesse zu nehmen.«
    Vielleicht hat er auch nur einen gut informierten Erzdiakon, dachte Philip bei sich. Doch er sagte: »Der Segen des Herrn lag auf unserer Arbeit.«
    »In der Tat.«
    Sie unterhielten sich in normannischem Französisch, jener Sprache also, deren sich Waleran auch im Gespräch mit seinen Gästen bedient hatte. Es war die Sprache der Herrschenden. Allerdings glaubte Philip aus einem kleinen Akzent in Walerans Redeweise heraushören zu können, dass seine Muttersprache Englisch war. Er war demnach kein normannischer Aristokrat, sondern ein Engländer, der den Weg nach oben durch eigene Anstrengung geschafft hatte – wie Philip auch.
    Philips Vermutung bestätigte sich bereits im nächsten Satz, denn Waleran verfiel von sich aus ins Englische und sagte: »Ich wünschte, der Herr würde seinen Segen auch der Priorei Kingsbridge nicht versagen.«
    Ich bin offensichtlich nicht der Einzige, der sich über die Zustände in Kingsbridge Gedanken macht, dachte Philip. Waleran weiß anscheinend besser Bescheid als ich. »Wie geht es Prior James?«, fragte er.
    »Er ist krank«, erwiderte Waleran knapp.
    Demnach ist er mit Gewissheit nicht imstande, etwas gegen die Rebellion des Grafen Bartholomäus zu unternehmen, dachte Philip bedrückt. Es bleibt mir nichts anderes übrig – ich muss nach Shiring reiten und mein Glück beim dortigen Vogt versuchen.
    Waleran kannte gewiss alles, was Rang und Namen hatte in der Grafschaft. »Kennt Ihr den Vogt von Shiring?«, fragte Philip. »Was ist das für ein Mann?«
    Der Erzdiakon zuckte mit den Schultern. »Ein gottloser, anmaßender, gieriger und bestechlicher Kerl – wie alle Vögte. Warum fragt Ihr?«
    »Wenn ich nicht mit dem Bischof sprechen kann, sollte ich mich vielleicht mit dem Vogt unterhalten.«
    »Ich habe das Vertrauen des Bischofs«, sagte Waleran, und ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Wenn ich Euch behilflich sein kann …« Er machte eine einladende Handbewegung, wie ein Mann, der weiß, dass seine Großzügigkeit vielleicht gar nicht erwünscht ist.
    Philip hatte sich ein wenig beruhigt, hatte es doch anfänglich so ausgesehen, als sei die Stunde der Wahrheit um ein oder zwei Tage aufgeschoben. Jetzt kehrte die innere Angst zurück. Konnte er Erzdiakon Waleran vertrauen? Walerans Gelassenheit war vermutlich gespielt: Er gab sich zurückhaltend, brannte jedoch insgeheim wahrscheinlich darauf zu erfahren, was Philip dem Bischof mitzuteilen hatte.
    Es gab eigentlich keinen Grund, ihm zu misstrauen; er wirkte wie ein Mann, der weiß, was er tut. Aber hatte er wirklich die Macht, den Aufstand zu unterbinden? Wenn nicht, so war er vielleicht imstande, den Bischof aufzutreiben. Waleran das Geheimnis anzu­vertrauen hatte einen entscheidenden Vorteil: Der Bischof hätte darauf

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