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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Kandidatur bereit erklären, und ich werde mich mit allen Kräften dafür einsetzen, dass ich die Wahl gewinne. Und wenn Du, Herr, aus unergründlichem Ratschluss mich nicht willst – nun, dann liegt es an Dir, mich zurückzuhalten, auf welche Art auch immer.
    Zweiundzwanzig Jahre lebte Philip nun schon im Kloster, doch da all seinen Vorgesetzten eine lange Lebensdauer beschieden war, hatte er noch nie eine Abtwahl miterlebt. Es war ein einzigartiges Erlebnis im mönchischen Leben, denn die Brüder waren bei der Stimmabgabe frei und niemandem Gehorsam schuldig. Einer galt auf einmal so viel wie der andere.
    Vor langer, langer Zeit führten die Mönche, soweit man den Legenden trauen konnte, ein Leben in absoluter Gleichheit. Da beschloss eine Gruppe Gleichgesinnter aus freien Stücken, der Welt und ihren fleischlichen Genüssen den Rücken zu kehren und sich irgendwo in der Wildnis eine geweihte Zufluchtsstätte zu errichten. Sie führten dort ein entsagungsvolles, frommes Leben, rodeten den Wald oder legten einen Sumpf trocken, ackerten und pflügten und bauten sich in gemeinsamer Arbeit ihre Kirche. In jenen Tagen waren sie tatsächlich wie Brüder zueinander. Der Prior war, wie schon der Titel sagt, lediglich der Primus inter pares, und Gehorsam schworen sie nur der Ordensregel des heiligen Benedikt, nicht jedoch den Offizialen des Klosters. Von all diesen urdemokratischen Regeln existierte mittlerweile jedoch nur noch die freie Wahl des Abts und des Priors.
    Manche Mönche wussten mit der ungewohnten Macht gar nicht richtig umzugehen; es war ihnen unbehaglich dabei. Sie wollten genauso Anweisungen haben oder schlugen vor, die Entscheidung einem Wahlgremium zu überlassen, das sich aus den älteren und erfahreneren Mitbrüdern zusammensetzte. Wieder andere missbrauchten das Privileg und wurden anmaßend; sie verlangten Gegenleistungen für ihre Unterstützung. Die meisten waren allerdings vor allem daran interessiert, eine vernünftige Entscheidung zu treffen.
    Philip unterhielt sich an jenem Nachmittag im Kreuzgang mit fast allen, entweder unter vier Augen oder in kleinen Gruppen. Offen bekannte er ihnen, dass er sich um das Amt bewerben wolle und dass er sich trotz seiner Jugend für einen besseren Kandidaten als Remigius halte. Er beantwortete ihnen ihre Fragen, die sich vor allem um die Lebensmittelversorgung der Priorei drehten, und beendete jede Unterredung mit der Bemerkung: »Wenn jeder Einzelne von uns seine Entscheidung nach reiflicher Überlegung und innigem Gebet trifft, wird der Herr dem Gewählten seinen Segen gewiss nicht versagen.« Philip wusste, dass dieser Satz dem Anlass angemessen war, und er glaubte an ihn.
    »Wir werden gewinnen«, sagte Milius, der Küchenmeister, am nächsten Morgen zu ihm. Die Küchenjungen schürten gerade das Feuer, und die beiden Männer versorgten sich zum Frühstück mit dunklem, grobem Brot und Bier.
    Philip biss ein kräftiges Stück ab und weichte es im Mund mit einem Schluck Bier auf. Milius war ein gescheiter, lebhafter junger Mann; er galt als Schützling Cuthberts und bewunderte Philip. Er hatte glatte, dunkle Haare und ein kleines Gesicht mit hübschen, ebenmäßigen Zügen. Wie Cuthbert diente auch er dem Herrn lieber durch praktische Arbeit und mied auf diese Weise die meisten Gottesdienste. Philip traute seinem Optimismus nicht. »Wie kommst du denn darauf?«, fragte er ihn voller Skepsis.
    »Cuthbert und alle, die auf seiner Seite stehen, unterstützen dich – der Ökonom, der Infirmarius, der Novizenmeister und ich. Wir wissen, dass du etwas von der Versorgung eines Klosters verstehst – und darin liegt derzeit eines unserer größten Probleme. Die meisten einfachen Mönche werden dir aus einem ganz ähnlichen Grund ihre Stimme geben: Sie trauen dir zu, die Klostergüter besser zu verwalten, und erwarten sich von daher angenehmere Lebensumstände und besseres Essen.«
    Philip runzelte die Stirn. »Ich möchte niemandem falsche Vorstellungen machen. Zuallererst möchte ich die Kirche renovieren lassen und dafür sorgen, dass die Gottesdienstordnung eingehalten wird. Das Essen kommt erst danach.«
    »Recht so, das wissen die anderen auch«, gab Milius ein wenig zu hastig zurück. »Daher werden zum Beispiel der Gästemeister und zwei oder drei andere auch für Remigius stimmen. Ihnen ist ein bequemes Leben unter einem schwachen Prior lieber. Die anderen, die ihn unterstützen, sind allesamt seine persönlichen Freunde, die sich von seiner Wahl

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