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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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verfangen, zog eine blutige Spur über seine Wangen.
    Â» Oh ihr Götter « , flüsterte er. » Sie sind tot! Alle! «
    Tahan beobachtete die Stadt von ihrem erhöhten Standpunkt aus. Er konnte nicht genau erkennen, was in der Ebene vor sich ging. Die Glassoldaten glänzten in der Mittagssonne, blendeten ihn, bis ihm die Augen tränten, aber er wandte den Blick nicht ab.
    Â» Sie formieren sich, scheint mir « , sagte er. » Aus der Stadt kommen Reiter. Echte Menschen und echte Pferde. Ich glaube, sie ziehen los. «
    Â» Wohin? « , fragte Noan erstickt. » Nach Garlawin? «
    Â» Oh, ich denke nicht. Das wird keine Strafaktion. Wer ist denn schon übrig, Frauen und Greise? Nein, sie ziehen in südöstlicher Richtung davon. Das geht gegen Helsten. Immer mehr Reiter kommen aus der Stadt. Das müssen die Fürsten sein mit ihren Mannen. Dasnarees Krieg beginnt. Heute. Wir waren nur eine kurzfristige Störung, eine kleine Aufwärmübung für seine Soldaten. «
    Â» Wie du das sagst « , höhnte Noan. » Als wäre das alles ein Spiel. Misan ist tot, er war mein Freund! Ganz Garlawin ist leer und verloren, und ich habe sie in den Tod geführt! «
    Der Marsch der unzähligen Glassoldaten ließ die Ebene erbeben. Sie schritten über das Gras wie ein Sturm, der alles zermalmte, jeden Halm, jeden Strauch, jedes kleine Lebewesen, das nicht in die durchwühlte Erde fliehen konnte.
    Â» Es ist kein Spiel « , sagte Tahan. » Dies ist der Anfang vom Ende unserer Welt, wie wir sie kannten. «
    Erst am nächsten Morgen stiegen sie in die Ebene hinunter, hungrig und müde; es war die zweite Nacht, die Tahan mit Wachen zugebracht hatte.
    Doch nicht er, sondern Noan schwankte und hielt sich an seinem Arm fest. » Oh ihr Götter, was ist hier passiert? «
    Die Stadt lag stumm im Frühlingslicht, die weite Grasfläche davor sah aus, als hätten Jahrhunderte wüster Katastrophen stattgefunden– Herbststürme, Erdbeben, Feuersbrünste. Die Erde war aufgerissen, tiefe Löcher und Gräben gaben den Blick in ihr verkohltes Inneres frei. In manchen Gruben sammelte sich Wasser, andere waren kahle Senken, in denen nichts mehr wuchs, Wüsteneien des Todes. Die beiden Straßen, die vor Kurzem noch durch die Ebene geführt hatten– der alte, aus verwitterten Steinen gebaute Weg nach Rajalan sowie die breite Straße in den Süden–, waren verschwunden. Ein paar vereinzelte Steine lagen noch herum, weit verstreut, als hätte ein Riese sich damit vergnügt, sie in alle Richtungen zu werfen. Von den jungen Garlawinern war nichts mehr zu sehen, nur einige tote Pferde lagen noch da. War Vala darunter, die hübsche, muntere Stute mit den Ziegenfüßen?
    Noan starrte in die Richtung eines der schwarzen Fellberge. » Vielleicht lebt sie noch « , flüsterte er.
    Â» Nein, hier lebt nichts und niemand mehr. Höchstens noch ein paar Eidechsen oder Kaninchen, aber bestimmt nichts Größeres als ein Fuchs. «
    Tahan hätte niemandem empfohlen, durch dieses durchlöcherte, zerrissene Erdreich zu reiten, denn selbst zu Fuß war es noch gefährlich genug. Gerade rechtzeitig hielt Noan ihn fest, als der Boden unter ihm nachgab und ihn ein Erdrutsch mitreißen wollte.
    Â» Das waren Dasnarees Glassoldaten. « Tahan blickte über die Ebene von Ghi Naral und lachte, lachte vor Zorn und Verzweiflung, lachte, um nicht zu weinen oder zu schreien.
    Â» Warum nur? Warum lässt er sie sein eigenes Reich zerstören? « Mit vor Entsetzen geweiteten Augen schaute Noan sich um. Die Erschütterung über den furchtbaren Anblick des Landes schien heilsam zu wirken. Der Tod seines Vaters wurde kleiner und unwichtiger angesichts der Zerstörung eines ganzen Landstrichs.
    Â» Bis jetzt dachtest du, dass ich ein klein wenig verrückt bin, stimmt’s? Dass ich Ree den Thron wieder entreißen will, koste es, was es wolle, weil mein Hass auf ihn so groß ist. Aber sieh her. Die Macht des Baums zieht den Sand aus der Erde, und sein Feuer schmilzt ihn. Alles ist da, im Boden unter unseren Füßen, alles, was man braucht, um Glas herzustellen. Dasnarees Wünsche und sein blinder Ehrgeiz formen es zu Soldaten. Hast du nie einen Steinbruch gesehen? Oder die Gruben in der Nähe von Burg Ameer, wo Sand abgebaut wird? «
    Â» Dann muss er damit aufhören, verdammt! « Endlich, endlich

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