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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht
Autoren: Maja Winter
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unsere guten Ratschläge hören! « Ralnir zupfte Berias am Ärmel. » Lassen wir den jungen Mann seine Arbeit tun. Komm. «
    Â» Wir werden unsere Macht verlieren « , sagte der hagere Mönch unglücklich.
    Â» Wir brauchen sie nicht mehr. Es war von Anfang an vorgesehen, dass am Ende alles dem König gehört. Wir waren nur die Verwalter. «
    Folgsam, aber mit säuerlichem Gesichtsausdruck trottete Berias hinter seinem Meister her.
    Â» Ich weiß nicht « , sagte Jalimey zweifelnd. » Das ist immerhin eine der Säulen der Macht, richtig? Baum, Turm, Quelle. Wenn wir eine davon zerstören, bricht dann nicht sozusagen das Dach ein? «
    Â» Wir haben viele Jahrhunderte gelebt, ohne auf diese Macht zurückzugreifen « , sagte Noan, aber auch er starrte mit mehr Bedauern auf die fleckige Oberfläche des Wachturms, als angemessen war. » Die Mönche dagegen hatten sie die ganze Zeit zur Verfügung, mit jedem Glassplitter in ihrer Hand. «
    Â» Wir wissen, wie wir gelebt haben, ohne das Erbe der Vier « , sagte Jalimey. » Armut, Seuchen und Hunger statt Üppigkeit, Fruchtbarkeit und Glanz. «
    Â» Wovon wir jetzt ja reichlich haben « , meinte Tahan spöttisch. Sie hatten das nicht zu entscheiden. Nur er, er allein. Und hatte er sich nicht längst entschieden? Mit jedem Atemzug, den Dasnaree tat, wuchs seine Entschlossenheit. Er zog sein Schwert.
    Â» Warte! « , rief Noan. » Das geht alles viel zu leicht. Warum warten die Mönche hier auf uns, schicken den Posten weg und treten dann auch noch höflich zur Seite? Da stimmt doch was nicht! «
    Tahan ging auf den Turm zu. Das Brennen und Jucken in seiner Handfläche wurde stärker, eine Flamme züngelte daraus hervor. Er schluckte; bitteres Bedauern verätzte ihm die Kehle. Aber er hatte die Verwüstung der Ebene von Ghi Naral gesehen, und Ghi Naral war ihm heilig. Er hätte nicht einmal sagen können, ob er Terajalas liebte, Ghi Naral hingegen war sein Zuhause. Außerdem hatte er genug von Glassoldaten, Glasbestien und Schlachtfeldern, auf denen Tote wie Überlebende gleichermaßen mit Splittern gespickt waren.
    Er hob das Schwert wie eine Axt.
    Â» Nein! « Noan hängte sich an seinen Arm. » Tu das nicht! «
    Â» Was? « Mehr erstaunt als wütend drehte Tahan sich um.
    Â» Es kann nicht richtig sein. Was, wenn du alles zum Einsturz bringst? «
    Â» Hätten uns diese höflichen Mönche nicht darauf hingewiesen, wenn wir gerade die Welt zum Einsturz brächten? «
    Â» Was, wenn… « Noan stellte sich vor Tahan und presste die Hände gegen seine Brust, um ihn zurückzuhalten. » Was, wenn die Macht des Turms dich umbringt, sobald du sie angreifst? Es ist eine uralte Macht, die seit Anbeginn aller Zeiten hier wohnt. Glaubst du, mit deinem lächerlichen kleinen Schwert kannst du sie mir nichts, dir nichts zerhacken? «
    Â» Warum gehst du mir nicht einfach aus dem Weg? «
    Â» Weil mir nur ein Grund einfällt, warum die Mönche dich gegen den Turm hetzen wollen. Dieselben Brüder, die schon einmal versucht haben, dich umzubringen! «
    Noan mochte nicht unrecht haben. Tahan blickte an der Fassade des Turms hoch, an dem groben Mauerwerk, das weiter oben von wasserfallartigen Kaskaden aus Glas bedeckt war. Hier, am unteren Ende, liefen sie in dünnsten Spitzen aus, in feinen Verästelungen wie die Wurzeln des Baumes.
    Was brachte ihn überhaupt auf die Idee, dass er dieses Bauwerk zerstören konnte? Die Tatsache, dass er einen Teil von Hamyjanes schwarzem Schloss zum Einsturz gebracht hatte? Weil auch die Glastiere zerbrechlich waren?
    Es waren keine Steintiere aus der Erde gekrochen, keine Erdmonster aus Schlammgruben auferstanden, keine vielbeinigen Baumungeheuer in die Schlacht gezogen. Seine bösen Wünsche hatten Glastiere ans Tageslicht gelockt, hasserfüllte Fantasien, die dieser Turm nur zu bereitwillig mit ihm geträumt hatte. Glas war durch seinen Leib gewandert; Splitter, Scherben, ganze Eiszapfen hatten sich mit den Träumen vereint, die der Baum in ihm wob.
    Die Macht der Vier hatte nicht umsonst Zuflucht in einem gläsernen Turm gefunden. Macht war wie Glas, zerbrechlich. Mächtig, erobernd, gefährlich, schneidend– und zugleich vergänglich. Jedes Reich würde früher oder später zersplittern, jede Macht war angreifbar. Jeder Mächtige fürchtete am meisten die
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