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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht
Autoren: Maja Winter
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eigenen Kinder, Abkömmlinge, die sich derselben Macht zu bedienen wussten. Wenn irgendetwas den Turm zerstören konnte, dann die Macht des Turms.
    Tahan legte eine Hand auf die rauen Bruchsteine, und mit einem Mal war er sich sicher, dass diese Schicht nur eine Tarnung magischer Natur war. Dahinter verbarg sich eine kristalline Struktur. Dünne Stränge aus Glasfäden, geflochten zu einem Anschein von Festigkeit und doch empfindlicher als ein Wandteppich aus Seidengarn. Fünf Jahre lang hatte er diesen Turm beschützt, ohne es zu wissen, und nun war er ein Teil von ihm.
    Genau wie die Mönche, die Bruderschaft der Vier, die sich ihm verschrieben hatte. Träumten sie auch von gläsernen Tieren? Von Wäldern aus Glas, über denen Wolken aus hauchzart gesponnenem Glas schwebten? Würden sie alle sterben, jeder, in den der Turm seine Krallen geschlagen hatte? Würden ihre Stimmen sich in den Geisterchor mengen, der unablässig in den Wäldern flüsterte?
    Tahan drehte sich um, sah den beiden Ordensbrüdern nach. Sie hatten sich in sicherer Entfernung einen guten Aussichtsplatz gesucht. Ihre Mienen konnte er nicht mehr erkennen.
    Dafür war Noans Gesicht plötzlich vor ihm. » Lass es sein! « , schrie er.
    Auch Jalimey, die klein und blass ein Stück hinter ihm stand, schüttelte den Kopf. » Nein, Tahan, nein. Tu es nicht. «
    Manchmal muss man sogar sein eigenes Herz opfern, dachte er. Fürchtete er sich zu sterben? Oder vielmehr davor, die magische Kraft zu verlieren, die Singendes Schwert in sein Leben zurückgebracht hatte, ohne die erstickenden Fesseln der Knechtschaft?
    Ein einziger Gedanke an Dasnaree reichte, um ihn alles andere vergessen zu lassen.
    Er schwang das Schwert. Noan und Jalimey sprangen zurück.
    Und die brennende Klinge fuhr in die Turmmauer.
    Es regnete Splitter. Es hagelte Scherben, groß wie Hausdächer. Wie in Mai-Senn war um sie herum ein Gewittersturm, Krachen und Blitzen, dazwischen umherfliegende Geschosse von tödlicher Kraft. Jalimey schrie, und Tahan warf sich schützend über sie. Die gläsernen Fäden und Sehnen in seinem Leib vibrierten wie die Saiten einer Simbarine, sie sangen schrill, unerträglich kreischten sie ihm in den Ohren, und ihm war, als würde es ihn selbst in Stücke reißen. Er barg Jalimeys Kopf unter seinem Arm, ihren Körper unter seinem, ihre Tränen mischten sich mit seinem Blut. Über ihnen zerbrach die Welt, sie wurde erst strahlend hell und dann finster.
    Zuerst glaubte Tahan, er wäre bei den Göttern gelandet. Es mussten die dunklen Götter sein, vielleicht gar Keioron, der Gefallen am Schmerz hatte und es genoss, die Seelen zu peinigen, die in sein Reich stolperten, blindlings und verzweifelt. Denn der Schmerz war überall.
    Irgendwann hörte er Stimmen. Erst Jalimeys leises Weinen, dann das tiefe Organ des dicken Mönchs.
    Da öffnete er die Augen und stellte fest, dass er noch lebte.
    Â» Siehst du? Schon wird er wieder lebendig « , sagte Ralnir munter. » Dasselbe gilt für den tapferen jungen Garlawin. Seine Wunden schließen sich bereits. «
    Mühsam hob Tahan den Kopf. Vor ihm saßen die beiden Mönche. Der Meister verspeiste gerade wieder eine Eidechse; ihr zuckender Schwanz hing ihm aus dem Mund, als hätte er eine Schlangenzunge. Bruder Berias briet ein paar große Fische, die er nebeneinander auf einen Spieß gesteckt hatte.
    Â» Hm? « , machte Noan. » Bin ich tot? «
    Tahan kämpfte sich auf die Knie und zog einen Splitter aus seiner Wade. Neben ihm lag Noan und stöhnte. Falls Tahan so aussah wie sein Freund, wunderte er sich nicht über Jalimeys verfrühte Trauer. Der junge Mann war blutüberströmt, und aus seinem Rücken ragte wie eine Flosse ein Stück Glas von der Größe eines Tellers.
    Tahan versuchte zu sprechen, biss auf Glas, schluckte es herunter. » Noan? «
    Â» Sei still, du Verräter. Musstest du unbedingt diesen Streich führen, während wir hinter dir standen? Ich dachte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. «
    Â» Noan hat die einzige Möglichkeit genutzt, um zu überleben « , erklärte Ralnir gelassen. » Der kluge Junge hat sich einen Splitter in die Hand gerammt, während der Tod schon auf ihn herabregnete. «
    Â» Ich habe es geschafft « , flüsterte Tahan. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass es eigentlich nicht möglich war.
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