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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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verstecken und abwarten, bis das Gemetzel vorbei ist.
    Tahan dachte an jeden einzelnen Tag seit seiner überstürzten Abreise von Burg Ameer. An jedes demütig gehaspelte » Herr « , jede Verbeugung, jeden Schlag oder Stoß, jedes höhnische Lachen. Er erinnerte sich daran, wie er die Zähne zusammengebissen hatte, um den Schmerz zu umgehen, die Berührung der Stacheln. Der Fluch war Wirklichkeit. Darüber, ihn für Einbildung zu halten, war er weit hinaus.
    Mit einem Schrei, der ihm Mut einflößen sollte, stürmte er vorwärts, Brand hoch erhoben, obwohl das Gewicht ihn beim Laufen beinahe umwarf. Köpfe wandten sich um. Aufgerissene Augen. Einige Helstener, die in der hintersten Reihe standen, legten Pfeile an die Sehnen, doch bevor sie schießen konnten, ging eine Gruppe von axtschwingenden Kerlen auf ihn los. Tahan sah ihnen entgegen, und irgendwo im Hinterkopf war ihm bewusst, dass dies seine letzte Stunde war, wenn der Fluch versagte. Stunde? Von einem ganzen Schattenschritt konnte keine Rede mehr sein. Der letzte Atemzug, der letzte Herzschlag. Ein Ende inmitten von Dunkelheit und Stille.
    Er wartete bis zum letzten Augenblick, dann warf er sich herum, um das Schwert im Kreis zu schwingen und das Gewicht des Eisens auszunutzen. Der Schrei, der dabei aus seiner Kehle entwich, kam ihm selbst vor wie das unmenschliche Gebrüll eines Raubtiers. Im nächsten Moment ging die Welt in Flammen unter. Sobald die Axt des vordersten Kriegers Brands Klinge berührte, sprühten die Funken, und die Waffe wurde leicht wie eine Feder. Tahan wirbelte herum, schlug den Männern die Äxte aus den Händen, schnitt durch ihre stahlverstärkten Brustpanzer. Sie fielen wie Blumenstängel. Das Lied brauste auf, laut, so laut, dass der Lärm unten im Tal die Soldaten weckte.
    Â» Terajalas « , sang es, » zu den Waffen! Zu den Waffen! Angriff! Zu den Waffen! «
    Immer mehr Feinde schlugen auf ihn ein, sie drängten herbei wie eine Woge, die sich an den Klippen bricht, und genauso zerbrachen sie an ihm. Das Schwert sang und tanzte, und wenn es je einen Schwerttänzer gegeben hatte, dann war es Prinz Tahan Dor Ilan und ganz gewiss nicht Meriwan. Leichtfüßig sprang er durch die Menge und bahnte sich seinen Weg hindurch, mit Feuer und Kraft und dem Lied. Er war die Lawine, die den Hang hinunterrollte, Trümmer und Steine vor sich herjagte, und von unten am Wachturm kam wie ein vielstimmiger Ruf die Antwort.
    Â» Zu den Waffen! Angriff! Wir werden angegriffen! «
    Die Truppe war im Nachteil, da die Terjaler den Hang hinaufeilen mussten. In Windeseile sattelten sie die Pferde, und als Tahan den Waldrand erreicht hatte, sah er die eigenen Soldaten bereits waffenschwingend nach oben laufen, zwischen ihnen wie eine Speerspitze die Reiter. Die Helstener versuchten immer noch, ihren Vorteil auszunutzen, und rannten den Terjalern entgegen, schreiend, Äxte, Schwerter und Lanzen drohend erhoben. In einem Schauer jagten Pfeile durch die Luft und fällten die ersten Krieger.
    Ein brennender Fuchshengst bäumte sich vor Tahan auf, und ohne zu zögern griff er in die Mähne, in die schlangengleichen, sich windenden Feuerzungen, die am Hals des Tieres leckten. Er schwang sich auf den Rücken und fühlte, wie ihn das Feuer umwarb, wie es seine Lederweste in Brand setzte. Das Lied wurde lauter, riss ihn mit sich.
    Es war wie ein Tanz.
    Es war wie Banoa, die Gedanken kalt und klar, die Bewegungen schnell und zugleich wie im Traum. Sie alle träumten dasselbe. Wie sie kämpften, wie sie die Feinde niedermachten. Wie sie die dunklen Gestalten, die aus dem Wald strömten, empfingen in einem Talkessel aus Feuer und Blut.
    Die Bilder vor ihren Augen waren scharf umrissen, die Farben greller und bunter als sonst. Die Geräusche waren lauter, deutlicher, jedes Flüstern trug vom Waldrand bis zum Turm. Jeder Schlag war präzise, jeder Hieb von tödlicher Genauigkeit. Gleichzeitig verschwamm alles zu einem wilden Wirbel aus Farben und Tönen, und der feurige Krieger auf seinem brennenden Pferd war überall. Manchmal war Tahan, als sähe er sich von außen, gespiegelt in entsetzt aufgerissenen Augen, in blank polierten Schilden und Klingen, eine göttliche Gestalt, übermenschlich groß, ein dunkler Schemen, umgeben von tosendem Feuer. Dann wieder war ihm überdeutlich bewusst, dass er es war, der Krieger, der das Heer in die Schlacht führte,

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