Die Säulen der Schöpfung - 13
verwandelt. Er krallte seine Finger in das kalte Erdreich, unter dem seine Liebe begraben lag. Erdrückende Schuldgefühle quälten ihn, weil er nicht zugegen gewesen war, um sie zu beschützen. Wäre er dagewesen, davon war er überzeugt, würde sie ganz gewiß noch leben. Es war sein einziger Wunsch: Er wollte, daß Althea noch lebte.
Stets war er voller Begeisterung in ihr Zuhause, das es nun einmal war, zurückgekehrt, um ihr von jeder noch so unscheinbaren Beobachtung zu berichten – von einem Vogel über einem Feld, einem Baum, dessen Blätter im Sonnenlicht schimmerten, einer Straße, die sich wie ein Band durch die hügelige Landschaft zog – von allem, das ein kleines Stück der Welt in ihr Gefängnis zu bringen vermochte.
Anfangs hatte er die Welt draußen mit keinem Wort erwähnt. Er dachte, wenn er ihr von den Dingen erzählte, die er außerhalb des Sumpfes sah, von Dingen, die für sie unerreichbar waren, würde das ihr Gefühl der Eingeschlossenheit und Verzweiflung nur noch verstärken. Woraufhin Althea das ihr ganz eigene Lächeln lächelte und meinte, sie wolle alles, was er sah, genau erzählt bekommen, denn auf diese Weise könne sie Darken Rahls Wunsch, sie einzusperren, unterlaufen. Sie behauptete, mit Friedrichs Augen ihrem Gefängnis entfliehen zu können. Die Bilder, die Friedrich ihr mitbrachte, gaben Althea die Möglichkeit, sich mit Hilfe eines wahren gedanklichen Höhenflugs aus ihrem Gefängnis zu befreien. Auf diese Weise half Friedrich ihr, sich dem Wunsch dieses abscheulichen Menschen zu widersetzen, der sie für immer von der Welt abschneiden wollte.
Friedrich brauchte sich also gewissermaßen keine Vorwürfe zu machen, wenn er den Sumpf verließ, obwohl sie zurückbleiben mußte, denn er war nicht sicher, wer hier eigentlich wen beschenkte. Das war typisch für Althea – sie machte ihn glauben, er tue etwas für sie, dabei war im Grunde sie es, die ihm half, sein Leben nach besten Kräften zu meistern.
Nun aber wußte Friedrich nicht mehr, was er tun sollte. Sein Leben schien in der Luft zu hängen, denn ein Leben ohne Althea war für ihn undenkbar. Ihre Gegenwart hatte ihn mit Leben erfüllt, ihn sich selbst erkennen lassen und ihn zu dem gemacht, der er war. Ohne sie war sein Leben sinnlos geworden.
Über ihre Todesart konnte Friedrich nur Vermutungen anstellen, und sich auf die Dinge, die er vorgefunden hatte, einen Reim zu machen, das hatte ihm nicht gelingen wollen. Sie selbst schien völlig unversehrt, das Haus dagegen war durchstöbert worden. Die merkwürdigsten Dinge waren gestohlen worden, ihre gesamten Ersparnisse, des weiteren Lebensmittel, ein paar Ausrüstungsgegenstände, ein Stück alten Stoffs ohne großen Wert. Andere Wertgegenstände dagegen waren noch da – vergoldete Schnitzereien, das Blattgold und die Werkzeuge. Sosehr er sich bemühte, Friedrich wurde einfach nicht schlau daraus.
Klar war ihm nur eins, Althea mußte sich vergiftet haben. Außerdem gab es eine zweite Tasse, offenbar hatte sie also versucht, noch eine zweite Person zu vergiften. Vielleicht jemanden, der sie wegen einer Weissagung aufgesucht hatte, jemand, der nicht eingeladen gewesen war.
Friedrich war allerdings nicht entgangen, daß Althea ihren Besucher, wer immer es gewesen sein mochte, erwartet haben mußte; sie hatte ihm dieses Wissen vorenthalten und ihn sogar noch ermuntert, die Reise zum Palast zu unternehmen, um seine vergoldeten Schnitzereien zu verkaufen. Er hatte sich fast ein wenig gedrängt gefühlt, und da sie keine Besucher eingeladen hatte, angenommen, sie wolle eine Weile allein sein, was nichts Ungewöhnliches war. Vielleicht war sie auch deshalb so erpicht, daß er eine kleine Reise unternahm, um etwas von der Welt zu sehen, weil er es schon eine Weile nicht mehr getan hatte. Sie hatte sein Gesicht in ihre Hände genommen, ihn ein letztes Mal geküßt und das Gefühl genossen, ihn zu berühren.
Jetzt kannte er die Wahrheit; ihr langer, ausgiebiger Kuß war ein Abschied gewesen. Sie hatte ihn aus dem Weg haben wollen.
Friedrich langte in seine Tasche und zog die Nachricht hervor, die sie ihm hinterlassen hatte. Es kam häufiger vor, daß sie ihm kleine Notizen schrieb – Dinge, die ihr in seiner Abwesenheit einfielen und die sie nicht vergessen wollte, um sie ihm später zu erzählen. Er hatte in der vergoldeten Tasse nachgesehen, die er ihr geschnitzt hatte und die sie auf dem Fußboden unter ihrem Sessel hinter dem Kissen aufbewahrte, und zu seiner
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