Die Säulen der Schöpfung - 13
Verbrecher zusammen mit dem Abschaum der Menschheit in eine Zelle, nur weil er das Richtige getan hatte und Gerechtigkeit hatte walten lassen, um das Land von einem gesetzlosen Schurken zu befreien, und jetzt diese mutwillige Gängelei.
Oba konzentrierte sich und versuchte sich abzulenken. Sogleich fiel ihm Nydas Gesichtsausdruck ein, als sie ihm zum ersten Mal in die Augen gesehen hatte. Sie hatte seine wahre Identität sofort erkannt. Nyda hatte ihm nur in die Augen sehen müssen, um die Wahrheit zu erkennen, daß er ein Sohn Darken Rahls war. Es konnte kaum verwundern, daß sie ihn so heftig begehrt hatte. Dieses Verhalten war für eigensüchtige Menschen typisch; sie suchten die Nähe der wirklich Großen, und dann taten sie alles, um sie klein zu machen. Sie war neidisch auf ihn. Deswegen saß er in dieser Zelle – wegen kleinlicher Mißgunst. So einfach war das.
Oba sann über den Ausdruck in Nydas Augen nach, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Der Ausdruck des Wiedererkennens in ihrem Gesicht hatte Erinnerungen ausgelöst, die ihn in die Lage versetzten, Verbindungen zwischen bislang unzusammenhängenden Details herzustellen. Er grübelte darüber nach, was er Neues hinzugelernt hatte.
Jennsen war seine Schwester. Beide waren sie Lücken in der Welt.
Schade eigentlich nur, daß sie mit ihm verwandt war. Er fand ihre roten Locken ziemlich bezaubernd, auch wenn ihm die Vorstellung zu schaffen machte, daß sie auf irgendein magisches Talent hindeuten könnten. Seufzend sah Oba sie in Gedanken vor sich. Aber er war ein viel zu prinzipientreuer Mensch, um sie als Geliebte in Betracht zu ziehen, schließlich hatten sie denselben Vater. Trotz ihres hinreißenden Aussehens, und obwohl sich jedesmal, wenn er an sie dachte, in seinen Lenden schmerzhaft etwas regte, ließ seine Redlichkeit einen derartigen Verstoß gegen jede Schicklichkeit nicht zu. Er war schließlich Oba Rahl und kein brunftiges Tier.
Darken Rahl hatte also auch sie gezeugt; das war erstaunlich. Oba wußte nicht recht, was er davon halten sollte. Sie waren über gemeinsame Bande verbunden, denn sie mußten sich gegen eine Welt voller neidischer Menschen zur Wehr setzen, die ihnen ihren hohen gesellschaftlichen Rang streitig machen wollten. Lord Rahl sandte Quadronen aus, die Jagd auf sie machten, von dieser Seite konnte sie also keine Loyalität erwarten. Oba überlegte, ob sie vielleicht zu einer nützlichen Verbündeten taugte.
Andererseits erinnerte er sich noch deutlich an den verängstigten Ausdruck in ihren Augen, als sie ihn angesehen hatte. Vielleicht hatte sie ihm seine Abstammung an den Augen abgelesen – daß er, genau wie sie, ein Nachkömmling Darken Rahls war. Vielleicht hatte sie bereits eigene Pläne, in denen er gar keine Rolle spielte. Vielleicht brachte seine Existenz ihr ganzes Leben durcheinander. Womöglich würde sie auch zu einer Widersacherin werden, die alles für sich allein beanspruchte.
Lord Rahl – ihr leiblicher Bruder – hatte jedenfalls die Absicht, sie beide gar nicht erst hochkommen zu lassen, so viel zumindest schien klar. Er wollte die unermeßlichen Reichtümer mit niemandem teilen, die von Rechts wegen Jennsen und Oba gehörten. Oba fragte sich, ob Jennsen ebenso eigensüchtig war, schließlich schien dieser Hang zum Egoismus in der Familie nicht gerade eine Seltenheit zu sein. Ein reines Wunder, daß Oba dieser unschöne Zug ihres Familienerbes erspart geblieben war.
Und jetzt versuchte Lord Rahl ihn zu verstecken und der Welt seine Existenz zu verheimlichen. Oba lief auf und ab und dachte nach. Es gab noch immer so vieles, das er nicht wußte.
Nach einer Weile hatte er sich wieder beruhigt und tat, was die Stimme ihm aufgetragen hatte. Er trat an die Tür und brachte seinen Mund nah an die Öffnung.
Oba schrie seine Worte nicht etwa heraus – das hatte er nicht nötig, denn die Stimme in seinem Innern würde seine verstärken, so daß sie sehr weit trug.
»Kommt zu mir«, sprach er in die menschenleere Stille draußen vor der Tür.
Oba war selbst erstaunt über sein unerschütterliches Selbstvertrauen; seine unbegrenzten Talente erfüllten ihn mit Verwunderung. Es war daher nur zu erwarten, daß die weniger Begabten gereizt auf ihn reagierten.
»Kommt zu mir«, sprachen er und die Stimme in die triste Dunkelheit jenseits der Tür.
Sie hatten es nicht nötig zu schreien. Ihre Stimmen trugen in der Dunkelheit mühelos, wie Schatten auf den Schwingen der Finsternis.
»Kommt zu mir«,
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