Die Säulen der Schöpfung - 13
Narev zurück ist? Sollte nicht auch er dabei sein und Zeuge dieses vielleicht entscheidenden Schlags werden?«
Jagang rollte mit seinem fleischigen Finger in kleinen Kreisen eine Olive auf dem Tisch herum. Er ließ sich eine Weile Zeit, bevor er, ohne aufzusehen, sprach.
»Ich habe seit dem Fall Altur’Rangs nichts mehr von Bruder Narev gehört.«
Sebastian schnellte hoch und stieß dabei gegen den Tisch. »Was! Altur’Rang ist gefallen?«
Jennsen wußte, daß Altur’Rang die Heimat des Kaisers war, die Stadt, aus der er stammte. Sebastian hatte ihr erzählt, Bruder Narev und die Bruderschaft der Imperialen Ordnung hätten dort, in dieser großen, leuchtenden Stadt, dem Hoffnungssymbol der Menschheit, ihren Sitz. Ein gewaltiger Palast werde dort errichtet, als Huldigung an den Schöpfer und als Symbol für die Festigung der Einheit der Alten Welt.
»Ich erhielt erst kürzlich Berichte, denen zufolge die Stadt von feindlichen Truppen überrannt wurde. Altur’Rang ist weit von hier und wurde abgeschnitten. Zum Teil ist es auf die winterlichen Verhältnisse zurückzuführen, daß die Berichte so lange brauchten.
In Anbetracht dieser ungünstigen Fügung des Schicksals halte ich es für unklug abzuwarten, bis es Bruder Narev gelingt, sich bis hier oben durchzuschlagen. Er wird mit dem Abwehren der Eroberer alle Hände voll zu tun haben. Sollten sich die Mutter Konfessor und Richard Rahl tatsächlich in Aydindril aufhalten, dürfen wir auf keinen Fall länger warten, sondern müssen schnell und mit vernichtender Wucht zurückschlagen.«
Jennsen legte Sebastian mitfühlend eine Hand auf den Unterarm. »Das muß die Geschichte gewesen sein, von der du mir erzählt hast. Gleich bei unserer ersten Begegnung sagtest du, Lord Rahl sei in deine Heimat eingefallen; offenbar war genau das sein Ziel – die Stadt Altur’Rang.«
Sebastian starrte sie an. »Vielleicht ist er gar nicht in Aydindril. Möglicherweise stellt sich heraus, daß er sich noch immer im Süden aufhält, Jenn, in der Alten Welt. Das solltest du nicht vergessen. Ich möchte nicht, daß du all deine Hoffnungen darauf setzt, nur um später erleben zu müssen, daß sie sich in Rauch auflösen.«
»Das stimmt; ich hoffe, daß er hier ist und die Geschichte endgültig zum Abschluß gebracht werden kann, aber wie Exzellenz bereits über den Vormarsch auf Aydindril sagte, haben wir dabei nichts zu verlieren. Schließlich hatte ich nicht erwartet, ihn hier anzutreffen. Wenn er nicht in Aydindril ist, bleibt mir immer noch die Hilfe, derentwegen du mich überhaupt nur hergebracht hast.«
»Und worin soll diese Hilfe bestehen?«, fragte Jagang.
Sebastian antwortete an ihrer Stelle. »Ich erklärte ihr, die Schwestern könnten ihr möglicherweise mit einem Bann helfen – damit sie den Schutzring um Lord Rahl überwinden und nahe genug an ihn herankommen kann, um die Tat auszuführen.«
»Nun, wie auch immer. Wenn er sich in Aydindril aufhält, sollt Ihr ihn bekommen.« Jagang nahm die Olive auf, mit der er gespielt hatte, und ließ sie in seinem Mund verschwinden. »Und wenn nicht, könnt Ihr frei über die Schwestern verfügen. Was immer Ihr an Hilfe von ihnen benötigt, sei Euch zugestanden. Ihr braucht nur zu fragen, und sie werden sie Euch gewähren. Ihr habt mein Wort darauf.«
Der Blick in seinen schwarzen Rabenaugen war todernst.
Draußen polterte ein Donner; mittlerweile hatte der Regen wieder zugenommen. Ein flackernder Blitz tauchte das Zelt von außen in gespenstisches Licht, das den Schein der Kerze um so trüber erscheinen ließ, als das Gleißen abrupt endete und sie, wieder in nahezu völliger Dunkelheit sitzend, auf das Donnergrollen lauschten.
»Sie müssen nur einen Bann über mich sprechen, der seine Bewacher ablenkt, damit ich nahe genug an ihn herankomme«, erklärte Jennsen, nachdem der Donner verhallt war. Sie zog ihr Messer aus der Scheide und hielt es in die Höhe, um das kunstvoll eingravierte »R« in seinem Silbergriff zu betrachten. »Dann endlich kann ich ihm mein Messer in sein gottloses Herz stoßen; und zwar dieses Messer – sein eigenes. Sebastian hat mir erklärt, wie wichtig es ist, den Feind mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.«
»Da hat Sebastian Euch klug geraten. Nun, mit der gütigen Führung des Schöpfers werden wir auch obsiegen. Laßt uns beten, daß wir die beiden fassen, diese Geschichte zum Abschluß gebracht werden kann, die Geißel der Magie beseitigt wird und die Menschheit endlich ein Leben in
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