Die Säulen der Schöpfung - 13
sie brauchte, um sich sicher zu fühlen. Dafür hatte er mehr verdient, als sie ihm bislang gegeben hatte.
Schließlich blieb Jennsen stehen und betrachtete ihn, seine blauen Augen – blaue Augen, ganz wie ihre und die ihres Vaters.
»Sebastian, Lord Rahl – der letzte Lord Rahl, Darken Rahl – war mein Vater.«
Er nahm die Neuigkeit ohne erkennbare Regung auf. so daß sie unmöglich wissen konnte, was er dachte.
»Meine Mutter arbeitete im Palast des Volkes, sie gehörte zum Palastpersonal. Darken Rahl … er hatte ein Auge auf sie geworfen. Es ist das Privileg des Lord Rahl, sich jede Frau zu nehmen, die sein Begehren weckt.«
»Jennsen, Ihr müßt nicht…«
Sie hob eine Hand und brachte ihn so zum Schweigen, denn sie wollte dies alles loswerden, bevor sie der Mut verließ.
»Sie war damals vierzehn«, begann Jennsen ihre Geschichte so ruhig wie nur möglich. »Zu jung, um wirklich zu begreifen, wie es in der Welt zugeht was es mit Männern auf sich hat. Ihr habt selbst gesehen, wie schön sie war. Bereits in diesem zarten Alter war ihre Schönheit unübertroffen, zumal sie früher als die meisten ihres Alters zur Frau herangereift war. Sie besaß ein strahlendes Lächeln und war geradezu beseelt von einer unbefangenen Lebensfreude.
Aber sie hielt sich für einen derartigen Niemand, daß sie es aufregend fand, von einem so mächtigen Mann bemerkt – begehrt – zu werden, der jede Frau haben konnte, die er wollte. Das war natürlich dumm, doch für jemanden ihres Alters und ihres Ranges eben auch schmeichelhaft, und in ihrer Gutgläubigkeit muß es ihr geradezu wie ein Märchen vorgekommen sein.
Von älteren Frauen des Palastpersonals wurde sie gebadet und umsorgt, ihr Haar wurde zurechtgemacht wie das einer richtigen Dame. Für ihre Begegnung mit dem großen Mann wurde sie mit einem prachtvollen Abendkleid herausgeputzt. Als man sie zu ihm brachte, verneigte er sich vor ihr und gab ihr einen Kuß auf den Handrücken – ihr, einer Bediensteten seines prunkvollen Palastes!
Sie speiste mit ihm zu Abend, probierte all die seltenen und exotischen Speisen, die sie nie zuvor gekostet hatte. Nur die beiden, ganz allein an einer langen Tafel, wo sie zum ersten Mal in ihrem Leben von anderen bedient wurde.
Er war charmant und machte ihr Komplimente über ihre Schönheit, ihre Anmut. Er schenkte ihr Wein ein – Lord Rahl höchstpersönlich.
Als sie schließlich mit ihm allein war. wurde sie mit dem wahren Grund ihres Dortseins konfrontiert. Sie war zu verängstigt, um sich zu wehren. Natürlich hätte er auch dann mit ihr getan, was immer ihm beliebte, wenn sie sich ihm nicht voller Unterwürfigkeit hingegeben hätte. Seine Grausamkeit stand seinem Charme nämlich in nichts nach, und er wäre ohne die geringste Schwierigkeit mit jeder Frau fertig geworden. Er brauchte es nur zu befehlen, und schon wurde jeder der sich seinem Willen widersetzte, zu Tode gefoltert.
Aber sie kam überhaupt nicht auf die Idee, Widerstand zu leisten. Vermutlich erschien ihr die Welt im Zentrum all dieser Herrlichkeit und Macht, ihren dunklen Ahnungen zum Trotz, aufregend. Als sie sich dann für sie zum Alptraum entwickelte, ließ sie alles wortlos über sich ergehen.«
Jennsen wandte ihren Blick von Sebastians blauen Augen ab. »Eine Zeit lang nahm er meine Mutter zu sich ins Bett, bis er ihrer schließlich überdrüssig wurde und sich beliebig anderen Frauen zuwandte. Trotz ihrer jungen Jahre gab sich meine Mutter nicht der törichten Illusion hin, daß sie ihm etwas bedeutete. Sie wußte, daß er sich einfach nur nahm, was er begehrte und solange er es begehrte, und daß sie, sobald er mit ihr fertig wäre, schon bald vergessen sein würde. Also verhielt sie sich ganz wie eine Bedienstete, eine Bedienstete, der man geschmeichelt hatte, aber dennoch wie eine verängstigte, gutgläubige junge Bedienstete, die trotz allem klug genug war, sich einem Mann, der keinen Gesetzen außer seinen eigenen gehorchte, nicht zu widersetzen.
Ich war das Ergebnis dieser kurzen, schweren Prüfung in ihrem Leben, und der Beginn einer noch viel schwereren.«
Jennsen hatte diese entsetzliche Geschichte, die fürchterliche Wahrheit, noch nie zuvor jemandem erzählt. Sie fror, fühlte sich schmutzig. Und ihr war schlecht. Mehr als alles andere empfand sie einen tiefen Schmerz über das, was ihre Mutter durchgemacht haben mußte.
Ihre Mutter hatte die Geschichte nie in allen Einzelheiten geschildert, so wie Jennsen dies soeben getan hatte.
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